Guide für faire Fashion

Diese nachhaltigen Modelabels solltet ihr kennen!

Quelle: Shanna Camilleri (Unsplash)

Wer kennt das nicht? Der Kleiderschrank ist proppenvoll, doch eigentlich gefällt einem momentan so gar nichts. Etwas neues möchte man sich des schlechten Gewissens wegen jedoch nicht kaufen. Secondhand-Läden, Flohmärkte oder Kleidertauschpartys sind gute Möglichkeiten, wie man dem Massenkonsum entgegensteuern und der Umwelt etwas Gutes tun kann. Ab und zu wäre es aber doch schön, sich etwas Neues gönnen zu dürfen. Damit das gute Gewissen beim Shoppen bleibt, gibt es mittlerweile unzählige faire Modemarken, von denen die meisten unter uns nur leider viel zu wenig hören. Deshalb möchte ich euch in diesem Blogeintrag von mir durch die faire Fashionwelt führen und euch gedanklich von Kopf bis Fuß einkleiden!

Quelle: Annie Spratt (Unsplash)

Ihr kanntet bisher nur Armed Angels? Ich muss gestehen, recht viel mehr kannte ich auch nicht. Doch da gibt es noch so viele Marken, die fair, bio oder sogar vegan produzieren und darauf warten von euch entdeckt zu werden. Beginnen wir bei Twothirds – das Eco-Fashion-Label setzt sich für weniger Plastik im Ozean ein – mit Kleidung aus Bio-Baumwolle, recyceltem Polyester und biologisch abbaubaren Verpackungen. „Das Symbol von Twothirds ist ein runder, niedlicher Wal. Er ziert T-Shirts, Sweatshirts sowie Tassen und Teekannen des Labels und lässt schon erahnen, worauf der Fokus des Unternehmens liegt: dem Meer. Umso weniger Abfall wir produzieren, desto sauberer sind die Meere – und dieser Devise folgt Twothirds in mehreren Bereichen, von wassersparender Produktion von Bio-Baumwolle bis zum Verzicht auf Plastiktüten“, schreibt Utopia in einem Artikel über die Surfer-Modemarke aus Barcelona in Spanien. „Der Name Twothirds erklärt sich folgendermaßen: Zwei Drittel unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt – und um diesen großen Teil der Erde kümmert sich das Unternehmen mit besonderem Fokus.“

Mein dritter, heißer Tipp für euch ist die Marke Knowledge Cotton Apparel. Das nachhaltige Label existiert seit 1969, dementsprechend viel Erfahrung in der Modebranche bringt es mit sich. Auf der Website der Marke kann man genau nachverfolgen, wo die gekaufte Kleidung produziert wurde und wer sie hergestellt hat. Die Mission des Labels ist es, den Status Quo herauszufordern. „Wir haben das Innere einer Industrie gesehen, die einen beträchtlichen Einfluss auf die Umwelt hat. Wir wissen, wie ein richtiger Wandel geschehen kann, ernsthaftes Handeln ist nun gefragt“, schreibt Knowledge Cotton Apparel auf der eigenen Website.

Quelle: Heather Ford (Unsplash)

Das Fair Fashion Label LangerChen gibt es seit 2013. „Wir kreieren Eco Outdoorwear, die durch einen zeitlosen Look, nachhaltige Materialien und eine hohe Funktionalität punktet. LangerChen zeigt, dass Mode ‚made in China‘ nichts mit Massenproduktion oder schlechten Arbeitsbedingungen zu tun haben muss. In der eigenen Produktionsstätte etwa eine Stunde von Shanghai entfernt werden heute alle LangerChen Kollektionen gefertigt – vom Stoff bis hin zur fertigen Jacke“, beschreibt sich die Marke selbst im Internet.

Die Herstellung nachhaltiger Kleidung allein ist nicht genug, sagt das aus Australien stammende Label Thought. „Wir arbeiten ethisch und moralisch, von den Materialien, die wir benutzen, über das Design bis hin zur Lieferung unserer Kleidung. Wir denken über jeden Einfluss, den unser Geschäft hat, nach. Wir sind außerdem große Befürworter der „Slow Fashion“, weshalb wir Kleidung entwerfen, die langlebig ist. Die Kleidungsstücke, die wir am meisten lieben, halten mit guter Pflege länger. Das ist der Grund für unser Mantra “Wear me, love me, mend me, pass me on.” Es soll eine Erinnerung daran sein, auf alles, was wir besitzen, Acht zu geben.“

Quelle: Social Cut (Unsplash)

Nicht „Made in China“: UVR connected ist ein solides, mittelständisches Berliner Label, das Stoffe aus Italien, Portugal und Frankreich benutzt, schreibt der Tagesspiegel. Angefangen hatte alles 1998 in Uckermark auf einem ausgebauten Bauernhof. „Geschäftsführer Dirk Siever war es, der mit den ersten Produkten von UVR connected im Kofferraum durch Deutschland fuhr und sie Einzelhändlern anbot. Irgendwann war klar: „So kommen wir nicht weiter. Die Händler bezahlten nicht, und wir waren nicht liquide“, erzählt Siever. „Wir brauchten unsere eigenen Läden.“ Also kehrten sie nach Berlin zurück und eröffneten ein winziges Geschäft in Friedrichshain. Der Laden hat vom ersten Tag an funktioniert. Inzwischen haben sie noch drei weitere: in Mitte, Kreuzberg und Schöneberg.“

Im Jahr 2014 hat Verena Paul-Benz mit ihren jungen Designern und einer Kollektion nachhaltiger T-Shirts in kürzester Zeit aus Lovjoi ein Modelabel gemacht, das jährlich mit zwei erfolgreichen Kollektionen den Markt der Eco-Fashion erobert. „Eine klare Haltung wird zur Grundlage für jedes weitere Handeln. Entscheidungen, mit Scharfsinn getroffen, werden zu Erfahrungen, die das Herz berühren und neue Kräfte in uns wecken. Die gemeinsame Idee beflügelt, mit Leichtigkeit lassen wir bisherige Grenzen hinter uns und brechen auf, neue Horizonte zu erreichen. Das Leben ist ein Fest!“, schreibt das Label auf seiner Seite.

„Hinter Kuyichi steht eine Gruppe Niederländer, die Denim und die Welt lieben. Wir machen Jeans für Menschen, die das Leben genießen und wertschätzen. Wir finden, dass das Leben für jeden Spaß machen sollte. Die Menschen, die unsere Kleidung herstellen, möchten ihr Leben auch genießen. Deshalb wählen wir nachhaltige Materialien und Lieferanten, die fair produzieren. Unsere Reise begann 2000 in Peru, Südamerika. Die Gründer von Kuyichi – NGO Solidaridad – erkundeten die Baumwollindustrie in Peru und waren schockiert von der Verschmutzung und Armut, die sie dort sahen. Die Alternative war Bio-Baumwolle, ohne den Einsatz von giftigen Chemikalien und mit einem besseren Leben für die Baumwollbauern. Das am häufigsten getragene Baumwollprodukt sind Jeans, also haben wir angefangen 100 Prozent biologischen Denim zu produzieren.“

Quelle: Cam Morin (Unsplash)

Annette Hoffman und Elke Schilling stecken hinter dem Label Alma & Lovis. 2011 haben sie sich aus der Überzeugung zusammengetan, Mode und Nachhaltigkeit miteinander vereinbaren zu wollen. Beide lieben Mode, fühlen sich aber gleichzeitig auch der Umwelt und der Gesellschaft verpflichtet – sie legen großen Wert auf Naturmaterialien, höchste Qualität und eine sozial faire Produktion. „Das Wissen über die sozio-ökologischen Sünden der Textilbranche treiben uns an. Denn gerade in der Modebranche passiert vom Anbau bis zur Produktion so viel Unverständliches. Mode ist Ausdruck von Zeitgeist und soll die Individualität des Einzelnen unterstreichen. Es soll Spaß machen in schönen Materialien und Farben zu schwelgen – ohne schlechtes Gewissen! Die ethischen Aspekte im Herstellungsprozess sind uns sehr wichtig. Wir setzen auf verantwortungsvolle Produktionsbedingungen und einen vertrauensvollen, fairen Umgang mit Mensch und Natur.“

T-Shirts aus Holz? Gibt’s! Bei Wijld. Für die „WoodShirts“ nutzt das Label Holz von verschiedenen Laub- und Nadelbäumen aus unter anderem Deutschland, Österreich oder der Tschechischen Republik. Das Besondere ist, dass dieses Holz aus ausschließlich nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Den Bäumen wird die Zeit gegeben in Ruhe zu wachsen und für jeden Baum, der gefällt wird, wird direkt auch ein neuer gepflanzt. Aus einem Holzscheit von etwa einem Kilogramm können vier T-Shirts hergestellt werden. Der Materialeinsatz pro T-Shirt ist im Vergleich zu anderen Textilrohstoffen sehr übersichtlich.

Quelle: Ricardo Gomez Angel (Unsplash)

„Wir sind Feuervogl – zwar haben wir die Hose nicht erfunden, aber wir sind angetreten, um aktuelle Trends im Denim- und Cotton-Flat-Bereich nachhaltig, sozialverträglich und ökologisch in den Markt zu bringen“, stellt sich das Jeans-Label auf seiner Homepage vor. „Mit Feuervogl zeigen wir, dass Mode und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind, sondern beides möglich ist. Unsere Kollektion ist schwerpunktmäßig eine Hosenkollektion aus Organic Denim und Organic Cotton.“

Beim Label Mud Jeans kann man Kleidung leasen. Klingt verrückt? Hier jedoch ganz normal. „Wir haben ein wegweisendes Lease-A-Jeans-Modell eingeführt, um sicher zu stellen, dass wir die Eigentümer der Rohmaterialien bleiben und diese nach der Benutzung zu uns zurückkommen“, so die Modemarke. „30 Prozent der Klamotten in unseren Kleiderschränken werden nicht mal ein Jahr lang getragen. Kommt euch bekannt vor? Das Leanse-A-Jeans-Modell ist eine Lösung, die euch von eurem schlechten Gewissen befreien wird, für umweltbewusste Leute, die Lust auf etwas Neues haben. Nach einem 12-Monate-Leasing kann man entscheiden, ob man das Paar Jeans behalten möchte oder auf ein Neues umswitchen möchte. Die alten werden dann recycelt, um daraus neue Sachen zu produzieren.

T-Shirts, Pullover, Jeans alles gut, aber gibt es auch fair produzierte Schuhe? Ja, gibt es! EKN stellt nachhaltiges Schuhwerk her, und das sieht nicht mal schlecht aus. „In den letzten Jahrzehnten wurde der Sneaker-Markt mit schlecht verarbeiteten, synthetischen Schuhen überschwemmt. Diese Produkte sind nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern werden häufig auch unter unwürdigen Arbeitsbedingungen und für einen Hungerlohn hergestellt. Gute Gründe, diesem Trend eine Alternative entgegenzusetzen. Wir wollen in Zukunft Verantwortung übernehmen. Und machen das schon heute“, so das Label auf seiner Website.

Quelle: Tom Sodoge (Unsplash)

Auch Natural World entwickelt ökologische, sogar vegane Schuhe. Die junge Marke wurde mit dem Ziel geboren, einen 100 Prozent ökologischen Schuh herzustellen. „Die Essenz unseres Labels ist die Liebe zur Natur und die Authentizität unserer Produkte. Von unseren Büros in Arnedo (La Rioja) aus arbeiten wir daran, die Welt, in der wir leben, zu verbessern, um unseren Kindern eine bessere garantieren zu können.“

Vegan gibt es auch bei El Naturalista. „Unsere veganen Schuhe enthalten keinerlei tierischen Stoffe. Weder im Material selbst, noch im Herstellungsprozess werden tierische Stoffe verarbeitet. Unsere Materialien sind hochqualitative Stoffe, hauptsächlich Mikrofaser und Baumwolle, die echtes Leder zur Perfektion imitieren. Wir tragen Verantwortung für unsere Umwelt. Daher arbeiten wir ununterbrochen an der Forschung, Entwicklung und Innovation, um nachhaltige Qualitätsprodukte zu schaffen. Dieser Einsatz wird durch unsere Qualitäts- und Umweltschutzpolitik bekräftigt.“

Mal was anderes: Die Marke Paprcuts produziert Portemonnaies und Uhren, die nachhaltig produziert werden. Zudem gibt es Tabakbeutel und Bauchtaschen im Sortiment. Mit ihren witzigen, hippen Designs spricht das Label auf jeden Fall die junge Generation an und trifft hier einen Nerv.

„Gute Rucksäcke aus fairer Produktion“ gibt es bei Ethnotek. „Im Laufe der Jahre haben wir in elf verschiedenen Dörfern in fünf Ländern enge Arbeitsbeziehungen mit Kunsthandwerkern und ihren Familien entwickelt. Wir empfinden es als eine große Ehre, dass die Kunsthandwerker unsere Partnerschaft gleichermaßen schätzen und wir ihre traditionellen handgefertigten Textilien in funktionalen Taschen und Rucksacken weltweit anbieten können. Viele von ihnen sind ausgezogen und sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, um mit ihren Familie zu leben und zu weben. Unser gemeinsames Ziel ist es, ihre Kunst einem großen Publikum zu zeigen um somit ihre eigene Kultur und Techniken zu bewahren.“

Quelle: Aniket Bhattacharya (Unsplash)

Den „etwas anderen“ Rucksack gibt es bei Airpaq zu kaufen. Die Geschichte der Firma, die ursprünglich aus einem Uniprojekt entstand, beginnt im September 2015 „als wir aus reinem Zufall in dasselbe Apartment in Rotterdam zogen, um unseren Master ‘Strategic Entrepreneurship’ zu beginnen“, so die zwei Gründer Michael und Adrian. „Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden und bildeten ein Team für die im ersten Kurs anstehende Gruppenarbeit. Rückblickend war dies für uns eine wegweisende Entscheidung, da unser heutiges Airpaq-Team an diesem Tag seinen Ursprung fand. Im Zuge dieses ersten Kurses besuchten wir einen Schrottplatz, um Inspiration für ein Recycling-Projekt zu sammeln. Während wir durch das Labyrinth von gestapelten Autos schlenderten kamen uns viele Ideen – LKW Reifen könnten Sessel werden, Zylinderköpfe Kerzenständer, bis wir schließlich einen Airbag entdeckten. Die Festigkeit und das Gefühl des hochwertigen Airbag-Stoffes faszinierte uns und die Idee keimte in uns auf, einen Rucksack aus diesem Material zu fertigen.“

Auch die Marke Pinqponq fertigt faire Rucksäcke. „Die Produkte werden von uns in Köln entwickelt und designt, in Vietnam in Handarbeit gefertigt und auf den Weg nach Deutschland gebracht. Hier werden sie an ausgewählte Handelspartner ausgeliefert und anschließend zum Verkauf angeboten. Wir begleiten diese Beschaffungskette und stehen zu jedem Produzenten in direktem Kontakt. So können wir die Qualität der Produkte selbst garantieren und die chemische Reinheit von unabhängigen Prüfinstituten bestätigen lassen. Das Recycling ist ein elementarer Pfeiler unserer Nachhaltigkeitsstrategie zur Minimierung unseres Umwelteinflusses bei der Produktentstehung. So verwenden wir für unsere pinqponq Taschen Stoffe, die zu 100 Prozent aus gebrauchten PET-Flaschen gefertigt sind“, so das Label auf seiner Seite.

Quelle: Álvaro Serrano (Unsplash)

Zum Abschluss etwas sehr Kreatives: Feuerwear. Wie der Name schon sagt, fertigt das Label Unikate aus alten Feuerwehrschläuchen. Feuerwear recycelt diese zu hochwertigen Taschen, Rucksäcken und Accessoires. Die Brüder Martin und Robert Klüsener sind begeistert von der Mission, nachhaltige Mode zu schaffen. „Martin entwirft aus dem robusten Feuerwehrschlauch durchdachte Produkte, individuell und urban im Design. Robert ermöglicht durch smartes Wirtschaften eine lückenlos nachhaltige Upcycling-Produktion in Europa. So werden Feuerwear-Produkte zu den idealen Begleitern für die Einsätze des Alltags“, beschreibt sich die Marke selbst.

Ihr dachtet, das war schon alles? Längst nicht. Da gibt es noch Erlich – ein junges Kölner Modelabel für nachhaltig produzierte, hochwertige Wäscheprodukte. Melawear, Maqu, Eyd, Green Bomb, Wado, Veja, Greenality, Bleed, Grüne Erde, hessnatur, Lanius, Thokk Thokk, People Tree, Wunderwerk, Shirts for Life, Living Crafts, Recolution, Hemp Age, Lana, Room to Roam, Bidges & Sons, Brainshirt, Degree Clothing, Gary Mash, Continental Clothing, Daily`s Nothings`s Better, Kipepeo Clothing, Deepmello, Die rote Zora, Gotsutsumo, Greentee, Jan’n’June, Lena Schokolade, Mandala, Treches, Wiederbelebt, Woodlike & Woodlike Ocean und und und … worauf also wartet ihr noch? Jetzt habt ihr keine Ausreden mehr, euch nachhaltig einzukleiden!

Die besten Modelabels für faire Kleidung & faire Mode

23 Öko-Modelabels, die die Modebranche besser machen

 

Liebeserklärung an Unverpackt-Läden

Unverpackt-Läden gibt es schon in vielen Städten. Sie regen zum Umdenken an, verändern unsere Art einzukaufen und zu leben. Zeit für eine Liebeserklärung!

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Foto: Miriam Kratzer

Lieber Unverpackt-Laden, es gibt dich schon in vielen großen Städten, egal ob München, Göttingen, Kiel, Mainz oder Trier. Du regst uns zum Umdenken an, veränderst unsere Art einzukaufen und zu leben. Es wird höchste Zeit für eine Liebeserklärung an dich!
Das erste Mal Kontakt mit dir hatte ich tatsächlich am anderen Ende der Welt – auf einem winzigen Campingplatz in Neuseeland. Ich habe dort ein italienisches Pärchen kennengelernt, das den ersten verpackungsfreien Supermarkt in Rimini eröffnen möchte. Michela und Carlo haben mich inspiriert mit ihrem mutigen, erfrischenden Lebensstil. Selbst unter den widrigsten Umständen – zu zweit in einem kleinen, blauen Toyota Hiace, haben sie ihre moderne, vegane, plastikfreie Welt durchgesetzt und mich zugleich damit angesteckt. Die Linsen, Cornflakes und Spaghetti in Gläsern oder Binden aus Stoff – ich war platt.

„Zero Waste – was ist das?“

Unverpackt – du warst für mich ein Fremdbegriff. Bis ich wieder nach Hause kam und auch meine Lebensweise überdachte. Ich ging das erste Mal in Lebensmittelgeschäfte wie dich, die komplett ohne Verpackung auskommen und kam selbst aus dem Staunen nicht mehr raus. Beim ersten Mal hätte ich dich am liebsten leergekauft, alles in Gläser abgefüllt – egal ob Haferflocken, Essig, Öl, Kaffee oder Gewürze. Es bereitet einfach so viel Freude. Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich zurück versetzt in meine eigene Kindheit, als ich noch mit Puppen und Kaufmannsladen gespielt habe.
Die Liebe zum Detail macht dich aus, und noch so viel mehr.

Warum ich diese Art einzukaufen so liebe? Nicht nur, weil man sich die Verpackungen spart, unnötigen Plastikmüll vermeidet und somit auch weniger davon in Nahrung und Umwelt wandert. Loses Shopping hat so viele Pluspunkte: Man kann genau abmessen, wie viel Zucker und Salz man möchte – perfekt für Singles und Studenten, die keine XXL-Packungen benötigen. Und ein Weg, um nicht mehr so viele Lebensmittel verschwenden zu müssen, wenn sie schlecht werden, weil es schlicht weg zu viel war. Man muss sich nicht mehr so oft überwinden, den Müll nach draußen zu bringen. Bei dir, lieber Unverpackt-Laden, wird mir deutlich vor Augen geführt, was ich eigentlich zum (Über)-Leben brauche und was nicht. Ich kann entspannt Unnötiges ausblenden und werde nicht dazu verleitet 30 Euro mehr für Mist auszugeben, der ungesund oder einfach überflüssig ist. So komme ich meinem Ziel, minimalistisch zu leben ein Stück näher und erfahre, dass es auch mit viel weniger geht. Ob es nun Zahntabletten, Haarseife oder loses Waschpulver ist – es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie weit wir dank dir bereits sind und dass ‚Zero Waste‘ mit dir möglich wird. Man fühlt sich nicht nur, als hätte man der Welt etwas Gutes getan, sondern genießt außerdem ein entspanntes Einkaufserlebnis. Weniger los als im Discounter und kaum Stress an der Kasse. Man trifft auf Gleichgesinnte, die ebenfalls umweltbewusst denken und leben.

„Global denken, lokal handeln“

Unverpackt, du bist die beste Umsetzung des Prinzips „global denken, lokal handeln“ – denn während ich persönlich etwas gegen den Klimawandel unternehmen kann, bleibt auch die Wertschöpfung vor Ort in der eigenen Stadt und fließt nicht ab wie etwa bei Aldi, Lidl und Co. Die Preise sind vergleichbar zum  Bio-Supermarkt, und die Hersteller werden meist fair für ihre Produkte bezahlt.
Mein Gewissen wird besser, aber auch der Kopf wird freier, da ich weniger Entscheidungen treffen muss. Wo wenig Auswahl, da wenig Stress. Diesen spart man sich übrigens auch zuhause: umpacken, auspacken und wegwerfen fällt weg. Nebenbei regt man dort auch Mama, Papa oder die Mitbewohner und Freunde zum Nachdenken an. Unverpackt, du tust gut, weil ich bewusster und gesünder lebe. Seitdem ich unverpackt einkaufe, mache ich mir viel mehr Gedanken darüber, was ich esse und ob Sachen, die nicht aus der Umgebung stammen denn wirklich notwendig sind. Unverpackt, du bist Luxus, denn andere haben nicht einmal die Wahl, ob sie mit oder ohne Plastik einkaufen können.

Das Persönliche zählt

Dein Alleinstellungsmerkmal jedoch ist definitiv das Persönliche. Man wird nicht einfach nur an der Kasse „abgefertigt“, sondern darf sogar mitbestimmen, was im Sortiment angeboten werden soll, Anregungen sind bei dir gerne gesehen. Zudem habe ich so automatisch einen Ansprechpartner zum Thema ‚Zero Waste‘ und Nachhaltigkeit vor Ort.

Worauf also wartet ihr da noch? Schnappt euch einen Schwung von Muttis Altgläsersammlung, ein paar Tupperdosen, Stofftüten oder einen Korb und stürzt euch in das schönste Einkaufserlebnis, das es momentan gibt!

Hier geht’s zum Original-Artikel auf Zeitjung.de!

Reise ins schlechte Gewissen: Wie passen Urlaub und Umweltschutz zusammen?

Das perfekte Bild spiegelt nicht unbedingt den perfekten Urlaub wieder, denn vieles zeigen wir online nicht. Zum Beispiel: wie Reisen unsere Umwelt beeinflusst.

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Das perfekte Bild um jeden Preis.    Quelle: Pixabay

Für viele Strandbadeorte gehört das allmorgendliche Wegräumen von Plastikmüll mittlerweile zum festen Ritual. Allein für den asiatisch-pazifischen Raum entstehen der Tourismusbranche jährlich Kosten von 622 Millionen Dollar.

Diese schockierenden Zahlen hält die schweizer Natur- und Umweltschutzorganisation WWF fest. Und ich mache das Ganze mit meinem Verhalten kein Stück besser und trage dazu bei, dass es in Zukunft schlimmer werden wird. Nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut! Scheiß drauf, ich hab’s ja schon gesehen.“

“Weltreise” – Dieses Wort suggeriert irgendwie immer ein reiches Kind, das nach seinem Abitur Geld und ein Around-The-World-Ticket von den Eltern geschenkt bekommen hat und nun unbekümmert Selfies von überall postet. Aber das muss nicht sein. Mein Freund und ich sind jedenfalls mit einem One-Way-Ticket in unser zehnmonatiges Reisevergnügen um den Globus gestartet. Und bereits im Vorfeld unserer Reise habe ich mich schlecht gefühlt, dafür so viel fliegen zu müssen.

Hilfe, ich bin Teil des Problems!

Etwa 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Doch heute schwimmen in jedem Quadratkilometer der Meere hunderttausende Teile Plastikmüll. Seevögel verenden qualvoll an Handyteilen in ihrem Magen, Schildkröten halten Plastiktüten für Quallen und Fische verwechseln winzige Plastikteilchen mit Plankton“, heißt es bei WWF weiter.

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Von Coca Cola-Glas bis Plastikflasche – alles Müll, der im Meer gelandet ist.      Quelle: Pixabay

In meinem Alltag versuche ich auf Fleisch zu verzichten und mich umweltbewusst zu ernähren und zu verhalten. Dennoch will ich mir nicht die Freiheit nehmen lassen, unsere Welt zu entdecken und zu bereisen. Ich weiß, das ist ein Widerspruch. Und mit meinem Verhalten trage ich nicht zu einer Besserung des Problems bei, im Gegenteil. Ich beschleunige es. Dieser „Nach mir die Sinnflut“-Gedanke widert mich an. Touristen widern mich an. Touris, die jeden Preis für das eine perfekte Foto zahlen und in Scharen in klimatisierten Bussen alle Instagram-Punkte abklappern. Und doch muss ich mir eingestehen: Du bist auch hier und du bist Teil des Problems.

Selbstdarstellung vs. Umweltschutz – Geht nicht auch beides?

Denn auch ich poste schöne Urlaubsbilder auf Instagram, die meinen Freunden und Followern suggerieren, was für ein tolles Jetset-Life ich doch führe und wie schön es an all diesen Orten ist. Der ein oder andere möchte sich dann vielleicht auch das Recht herausnehmen, dasselbe erleben zu dürfen und bucht sein Flugticket. Klick. Was meine Freunde auf Instagram sehen, sind die schönen Bilder am Pool, vor dem Taj Mahal, oder auf einer einsamen, paradiesischen Insel. Was sie jedoch nicht sehen, sind die höllischen Fahrten in einem schwülen Bus, eingequetscht mit anderen, schwitzenden Reisenden, die wartende Schlange am „Instagram-Fotopunkt“ oder das Schleppen des schweren Rucksacks quer durch die Stadt bis zur Unterkunft bei 40 Grad plus.

Die geschönten Bilder vermitteln aber noch viel mehr. Sie sagen: „Schau her, was ich mir leisten kann, was ich aus meinem Leben mache. Guck dir an, wie toll das ist. Was ich habe und du nicht.“ Und irgendwo ist es ja genau das, was wir unterbewusst wollen. Wir wollen wahrgenommen, geschätzt, respektiert, bewundert und geliebt werden. Das liegt in der menschlichen Natur. Ist es also verwerflich, diese Bilder auf Instagram zu posten? Ich weiß es nicht. Ich möchte einerseits, dass meine Freunde sehen, wo ich bin und andererseits möchte ich unsere Umwelt schützen. Wenn ich radikal wäre, dann müsste es heißen: ganz oder gar nicht. Entweder kein Instagram oder keinen auf Umweltschützer machen. „Aber geht nicht auch beides?“, würde jetzt mein verzweifeltes Ego fragen.

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Quelle: Pixabay

Das Problem des Massentourismus‘

Jedes Instagram-Bild ist ein Stich in die Magengrube für mein gespaltenes Ich. Denn bei jedem Mal schießen mir auch diese Gedanken in den Kopf: Vor drei Jahren war an diesem Ort noch nichts los und es lag vermutlich längst nicht so viel Plastikmüll herum wie jetzt. Und: Auch ich bin hauptsächlich durch Instagram an diesen Ort navigiert worden.

Das Tempo in dem die Tourismusbranche wächst, ist schockierend, aber wenig verwunderlich. Das Flugticket ist innerhalb weniger Minuten am Handy gekauft, das Essen wird per App ins Airbnb bestellt. All diese technischen Fortschritte, die uns das Leben so sehr erleichtern, führen dazu, dass Reisen schneller und einfacher wird. Die logische Konsequenz ist, dass immer mehr Menschen reisen wollen. Da Flüge und Hotels immer günstiger werden und die Menschen über mehr Geld für ihre Freizeit verfügen, wächst der Tourismus stetig weiter.

Besonders stark kann man dieses Phänomen in Neuseeland beobachten. „Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der internationalen Urlauber um zwölf Prozent auf 3,5 Millionen. Mit fast 100.000 Gästen stellt Deutschland die sechstgrößte Besuchergruppe, nach Touristen aus Australien, China, den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Japan. Und das, obwohl die Anreise auf die Insel im Pazifik nicht unter 27 Flugstunden zu machen ist“, schreibt der SPIEGEL. „Bislang ist kein Ende des Booms in Sicht. Bis 2022 soll die Zahl ausländischer Gäste die 4,5-Millionen-Marke erreichen – ebenso viele Menschen, wie das Land Einwohner hat.“

„Ich will die Welt noch sehen, bevor sie zu Grunde geht“

Warum nur wollen wir das – Reisen, nur um anderen zu zeigen, wo wir sind? Manchmal scheint es so, als wolle man die Welt, wenn auch nur für bestimmte Zeit, an sich reißen. Wenn ich ans Reisen denke, dann kommen mir diese Gedanken in den Kopf: „Vielleicht ist in 20 Jahren schon alles kaputt, gerodet, vermüllt. Ich möchte die Welt jetzt noch sehen, bevor sie zu Grunde geht. Ich will auch sehen können, was meine Freundin, Schwester, Tante gesehen hat. Man lebt nur einmal. Jetzt hast du die Chance dazu, das zu tun, ergreife sie!“ – Wie selbstsüchtig und egoistisch, ich weiß. Und trotzdem einfach die bittere Wahrheit. Und dabei bin ich sicher nicht die Einzige, die so denkt.

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Quelle: Pixabay

Reisen ist ein Luxus, den man sich gönnen möchte. Es ist eine Art materieller Wert, der immer bleibt, der einem nicht mehr genommen werden kann. Es ist, als würde man sich Erinnerungen kaufen – ganz getreu nach dem Brechreiz auslösenden Reise-Motto unter Instagram-Posts: „Travel is the only thing you can buy that makes you richer.”

20 Tonnen Müll an nur einem Wochenende

Was mich neben der Schnelligkeit am meisten schockiert, sind die Massen an Touristen und der Müll, der produziert wird. Frühere Paradies-Inseln wie Ibiza, Mallorca oder Gili Trawangan in Indonesien haben sich innerhalb weniger Jahre zu vermüllten Partyinseln entwickelt. Es hat mich angewidert, die hauptsächlich männlichen, schmierigen Partytouristen auf den Gili-Inseln zu beobachten. Es sah aus, als würden sie mit dem Anspruch anreisen, sich hier alles nehmen zu können, was sie wollen. Egal ob Alkohol, Sex oder Frauen. Alles gehört ihnen und nichts ist ihnen peinlich. Dieser Anspruch, sich mit Geld alles erkaufen und erlauben zu dürfen, macht dabei einiges kaputt. Da die Lebensunterhaltskosten in fast allen Ländern in Südostasien (noch) extrem günstig sind, sind Thailand, Indonesien und Co. in den letzten Jahren zu einem beliebten Pilgerziel für Backpacker aus Europa und westlich geprägten Ländern geworden, die nach dem Abitur oder Studium noch einmal etwas „erleben“ wollen.

Tag für Tag werden aus dem Golf von Thailand Unmengen an Abfall angeschwemmt: Plastiktüten, Plastikflaschen, Plastikbecher, Plastikdosen, sogar ganze Tische und Stühle. An manchen Wochenenden sind es nach Angaben der Inselverwaltung bis zu 20 Tonnen“, schreibt die Augsburger Allgemeine. Dort müssen reihenweise Strände geschlossen werden, damit sie sich vom Tourismus erholen und regenerieren können.

Vermutet wird, dass inzwischen etwa 140 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen umhertreiben. Jedes Jahr kommen bis zu zwölf Millionen Tonnen dazu.“ Interessant dabei: „Verantwortlich dafür sind in erster Linie nicht die westlichen Industrienationen. Mehr als zwei Drittel des Mülls stammt heute aus Asien. China, Indonesien, Thailand und die Philippinen gehören zu den besonders schlimmen Verursachern.

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Während der Monsunzeit sammelt sich in Ländern wie Indonesien der Müll nur so an den Stränden.    Quelle: Pixabay

Und auch Bali hat mit demselben Problem zu kämpfen: Die indonesische Insel hat im Januar den „Abfallnotstand“ ausgerufen. Täglich sammelten von da an 700 Reinigungskräfte und 35 Lastwagen rund 100 Tonnen Abfälle ein und luden sie in einer Mülldeponie ab, wie die Berliner Morgenpost berichtete.

Am schlimmsten ist es während der jährlichen Monsunzeit, wenn starke Winde und Meeresströmungen Strandgut anspülen und angeschwollene Flüsse Müll von den Ufern zur Küste befördern.

Und jetzt?

Wenn ich jetzt in die Zukunft blicke, dann weiß ich, dass ich etwas ändern möchte. Ich will mich nicht mehr derart von Instagram lenken lassen, wie in den letzten Monaten. Auch nicht von den Gedanken, was meinen 600+ virtuellen Freunden dort gefallen könnte. Ich will mein Handy wieder öfter weglegen und das Leben ungefiltert mit meinen eigenen Augen genießen und erfahren. Ich will keinen Gedanken daran verschwenden, den aktuellen Moment mit irgendjemandem auf Social Media teilen zu müssen, nur um mein Selbstwertgefühl für ein paar Stunden zu steigern. Ich kenne mich selbst gut genug, um zu wissen, dass dies nicht sofort und nicht in jedem Moment funktionieren wird. Es ist ein Prozess, aber ich will jeden Tag wenigstens einen kleinen Schritt gehen.

Ich wünsche mir mehr Realität auf Instagram, nicht immer nur den selben Einheitsbrei zwischen „Earth Roamers“, die das Bergpanorama mit Sternenhimmel aus ihrem Kathmandu Zelt posten oder „Travel Bloggern“, die die Farbe des Meeres in ihren Bildern so extrem aufhellen, wie es selbst auf den Malediven nie aussehen wird. Ich wünsche mir ein Instagram, auf dem man nicht nur Bilder posten darf, wenn man verreist oder mit den Freunden feiern war, sondern eines, auf dem man auch Fehler machen darf. Natürlich, ungefiltert und ungeschminkt. Allerdings bekommen derartige Menschen und Bilder nur wenige Follower und Likes. Zu unästhetisch, passt einfach nicht in den Feed.

Irgendwo habe ich mal gelesen: „Das Problem ist: Menschen werden gehasst, wenn sie echt sind, und geliebt, wenn sie falsch sind.“ Wie schön wäre ein Instagram, wie schön wäre eine Welt, in der man sein darf, wer man ist und trotzdem geliebt und respektiert wird?

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Quelle: Pixabay

Hier geht’s zum Original-Artikel auf Zeitjung.de: 

https://www.zeitjung.de/reise-schlechtes-gewissen-urlaub-umweltschutz-instagram-nachhaltigkeit/?fbclid=IwAR2xVfSACnLy2c9iwwZhk-Ye1JF-cTOJ7zGnMuBV4QQi7E9gq57rzZLMx7U

Die unvorhersehbaren Konsequenzen der Erderwärmung: Soziale Folgen und Klimakriege (Teil 2)

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Bild: Pixabay (slowdef)

Klimakriege – wie und wodurch entstehen sie? 

Die ökologischen Konsequenzen der Erderwärmung verursachen soziale und politische Probleme, deren Ausmaße kaum einzuschätzen sind. Statistische Vorhersagemodelle zum Anstieg der Durchschnittstemperaturen geben keine Auskunft über das Verhalten der Menschen, die unter den ökologischen Folgen der Bodenerosion leiden, oder deren Heimat aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels in 50 bis 100 Jahren verschwunden ist, oder über das Verhalten von Menschen in Regionen, wo die Menge an Niederschlag seit Jahren zurückgeht und ausgetrocknete Seen und Flüsse, die ursprünglich als natürliche Grenzlinien fungierten, zu Grenzkonflikten zwischen benachbarten Staaten führen.

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Bild: Pixabay (janeb13)

Welzer (2010) nennt an dieser Stelle den Bürgerkrieg in Darfur, dessen Ursachen nachweislich auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Anhaltende Dürreperioden und die zunehmende Überweidung sensibler Naturregionen, wie der Sahelzone, führten in weiten Teilen des Landes zu Bodendegradationen und der Unbrauchbarkeit von Weideflächen. Dadurch hat sich die Wüste in den letzten 40 Jahren um rund 100 km ins Landesinnere ausgebreitet. Arabische Viehzüchter wurden unfreiwillig zu Nomaden und trieben ihre Herden in Richtung Süden, durch die Ländereien afrikanischer Bauern, da sie sich dort bessere Bedingungen für ihr Vieh erhofften. Für die sesshaften Bauern wurden die Nomaden zunehmend zu einer Bedrohung, somit wurde der Zugang zu Feldern und Weiden gesperrt, um die Ernte zu sichern (Prunier, 2007).

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Bild: Pixabay (TheDigitalArtist)

Ein als ethnisch wahrgenommener Konflikt zwischen Arabern und Afrikanern entbrannte, dessen Ursachen jedoch auf ökologische Veränderungen zurückzuführen sind. Der bis heute anhaltende Krieg kostete Hundertausende das Leben und machte 2,5 Millionen Menschen zu Flüchtigen (Ruhr Universität Bochum, 2016). Das United Nations Environment Programme stellte 2007 fest, dass ein beständiger Frieden in Darfur nur dann wahrscheinlich ist, wenn sich die Umwelt- und Überlebensbedingungen verändern. Ein Teufelskreis, da die Dürreperioden und Bodenerosionen durch den Klimawandel verstärkt werden und die Desertifikation beschleunigen, was wiederum die Zahl der Migranten ansteigen lässt und zu neuen Konflikten führt.

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Bild: Pixabay (Alexas_Fotos)

In seinem Film „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“ zieht der Vize-Präsident Al Gore ebenfalls eine Verbindung zwischen dem Klimawandel und dem Bürgerkrieg in Syrien. Er stützt sich hierbei auf eine umfassende Studie der National Academy of Science (Kelley, Mohtadi, Cane, Seager & Kushnir, 2015). Das Land erlebte demnach von 2006 bis 2010 die längste und schwerste klimabedingte Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. 200000 Menschen starben, 60 % der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen wurde zerstört und 80% des Viehbestands verendete. 1,5 Millionen Syrer waren dazu gezwungen ihre Heimat zu verlassen und in eine ungewisse Zukunft zu fliehen, um das Überleben ihrer Familien zu sichern.

Die sozialen Folgen des Klimawandels

An den Küsten von Gibraltar, Andalusien, Sizilien und Teneriffa trafen in den letzten Jahren immer mehr überfüllte Flüchtlingsboote ein, was in den europäischen Mitgliedsstaaten ein zunehmendes Gefühl der Bedrohung hervorrief und zur Bildung der Organisation „Frontex“ (Frontieres Exterieures) führte, welche die Überwachung der Außengrenzen der Europäischen Union effizienter gestalten sollte. Somit werden privilegierte Staaten, die nicht direkt unter den ökologischen Konsequenzen der Erderwärmung leiden, zunehmend durch soziale Folgen des Klimawandels tangiert, da es von Jahr zu Jahr mehr Menschen gibt, deren Lebensgrundlagen schwinden und die an den Überlebenschancen wohlhabender Länder teilhaben wollen.

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Die Bildung von Frontex im Jahr 2005 zeigt, dass die erste Reaktion auf Massenmigrationen Gewalt ist. Seit dem Jahr 2000 sind in den Einsatzgebieten europäischer Grenzschützer mindestens 23000 Flüchtlinge gestorben. Das hochentwickelte Überwachungsprogramm „Eurosur“, das mittels Drohnen und Satelliten versucht Flüchtlingsboote aufzuspüren, sieht seine primäre Aufgabe nicht in der Seenotrettung, sondern darin, die illegale Migration zu bekämpfen (Pro Asyl, 2014). Frontex geriet aufgrund der Verletzung von Menschenrechten daher immer wieder in die Kritik und zu Beginn wurden Nachrichten über das Sterben von Bootsflüchtigen mit Entsetzen und Empören aufgefasst, jedoch fand auch hier der unbewusste Vorgang von „Shifting Baselines“ statt – die Arbeit von Frontex wird heute als notwendig und der Tod von Flüchtlingen als unausweichlich angesehen. „Shifting Baselines“ verändern die Wahrnehmung von Problemen und die Akzeptanz von Lösungsmaßnahmen. Normen verschieben sich und führen zu einer zunehmenden Legitimierung von Gewalt (Welzer, 2010, S.248).

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So gesehen hat man es hier wieder mit einer unterbrochenen Beziehung zwischen Handlung und Handlungsfolge zu tun. Die Industrienationen haben in der Zeit der Kolonialisierung in Afrika die natürlichen Strukturen der Völker zerstört und durch Gewalt, Ausbeutung und Sklaverei Desorganisation und Chaos hinterlassen. Dadurch wurde ein Nährboden für korrupte, politische Strukturen geschaffen, die eine elitäre Minderheit bevorteilt und die Mehrheit der Bevölkerung ausbluten lässt. Innerstaatliche Konflikte werden zu Dauerkriegen und durch extreme Wetterereignisse noch verschlimmert.

Darüber hinaus bekommen die Folgen der Erderwärmung ironischerweise nicht die Verursacher des Klimawandels zu spüren, sondern gerade die ärmsten Länder dieser Welt. Gleichzeitig beklagt man sich an den Grenzen Europas über Flüchtlingswellen und übersieht, dass die Ursachen hierfür in unserer Vergangenheit liegen. „Das soziale Klima ist komplexer als das physikalische […] Klimaveränderungen wirken in zwei Richtungen: Sie können Gewaltkonflikte hervorrufen oder bestehende Konfliktlagen vertiefen. Zudem können sie durch Interaktionen, Kumulierungen und indirekte Verkettungen unerwartete Folgen hervorrufen. […] Es gibt Klimakriege, es wird getötet, gestorben, geflohen. Empirisch besteht nicht der mindeste Grund zu glauben, dass die Welt so bleibt, wie wir sie kennen.“ (Welzer, 2010, S.249).

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Bild: Pixabay (Benita5)“

„Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen“

Durch die Mechanismen der kognitiven Dissonanz fällt es uns leicht, diese Horrorszenarien zu verdrängen. Sie liegen in ferner Zukunft, womöglich werden sie unsere Generation gar nicht mehr betreffen. Außerdem müssen Prognosen sich nicht zwangsläufig bewahrheiten. Erst einem Hurrikan der Stärke fünf, dessen zerstörerische Kraft die westliche Zivilisation mit voller Wucht trifft, ist es möglich die Diskussionen um den Klimawandel neu zu entfachen. Hurrikan „Irma“ hat im September 2017 in Florida eine Schneise der Verwüstung hinterlassen und wartete mit rekordverdächtigen Extremwerten auf. Meteorologen mussten lange in ihren Wetteraufzeichnungen suchen, um Hurrikane mit vergleichbaren Werten ausfindig zu machen.

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Der Hurrikan „Irma“ sorgte im September 2017 für Chaos und Zerstörung in vielen Karibikstaaten sowie in Florida in den USA.   Bild: Pixaby (paulbr75)

„Ist das nun der Klimawandel?“ – Jein. Experten sind sich einig, dass der Klimawandel nicht zu einem häufigeren Auftreten von Hurrikanen führt, allerdings ändert sich die Intensität dieser Wirbelstürme. Hurrikane bilden sich über dem Meer und bekommen ihre Energie durch erhöhte Wassertemperaturen (> 26,5 Grad). Das karibische Meer vor der Westküste Floridas wies ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen auf, welche teilweise bis zu 80m in die Tiefe reichten. Künftige Hurrikane werden daher auch deutlich höhere Geschwindigkeiten aufweisen, da sie mehr Energie durch ansteigende Wassertemperaturen ziehen können. Unsere Ozeane haben sich in den letzten 60 Jahren 15mal so schnell erhitzt, als bei jeder natürlichen Temperaturschwankung der letzten 10.000 Jahre. Der Klimawandel ist somit nicht für das Auftreten solcher Naturgewalten verantwortlich, aber für deren Stärke und schlimmer werdende Folgen der Zerstörung (Rosenthal, Linsley & Oppo, 2013; Spiegel Online, 2017).

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Bild: Pixabay (RitaE)

Naturgewalten dieser Art haben somit das Potential, uns die verheerenden Folgen des Klimawandels direkt vor Augen zu führen. Um die psychologischen Gründe für unser „Nicht-Handeln“ zu überbrücken muss die Brisanz dieser Thematik erst einmal in unser Bewusstsein rücken. Es ist an der Zeit Verantwortung zu übernehmen, für die Fehler der Generationen vor uns und das Wohlbefinden der Generationen nach uns. Die Handlungsohnmacht kann umgangen werden, indem man sich bewusst macht, dass der einzelne Verbraucher in der Summe sehr wohl Veränderungen hervorrufen kann.

„Da die Astronomie noch keine kolonisierbaren Planeten in Reichweite anbieten kann, kommt man um die ernüchternde Feststellung nicht herum, dass die Erde eine Insel ist. Man kann nicht weiterziehen, wenn das Land abgegrast und die Rohstoff-Felder abgebaut sind“ (Welzer, 2010, S.14).

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„Es gibt nur diese eine Erde.“   Bild: Pixabay (qimono)

 

Autor: Jana Schindler (Gastbeitrag)

Quellen:

Festinger, L. (1962). A theory of cognitive dissonance (Vol. 2). Stanford university press.

Kelley, C. P., Mohtadi, S., Cane, M. A., Seager, R., & Kushnir, Y. (2015). Climate change in
the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(11), 3241-3246.

Pro Asyl (2014). Neue Schätzung: Mindestens 23000 Tote seit dem Jahr 2000. Verfügbar unter:https://www.proasyl.de/news/neue-schaetzung-mindestens-23-000-tote- fluechtlinge-seit-dem-jahr-2000/ (Stand: 12.09.17)

Prunier, G. (2007). Darfur. Der» uneindeutige «Genozid. Hamburg.

Rosenthal, Y., Linsley, B. K., & Oppo, D. W. (2013). Pacific ocean heat content during the past 10,000 years. Science, 342(6158), 617-621.

Roser-Renouf, C., Maibach, E., Leiserowitz, A., & Rosenthal, S. (2016). Global Warming’s Six Americas and the Election, 2016. Yale University and George Mason University. New Haven, CT: Yale Program on Climate Change Communication.

Ruhr Universität Bochum. (2016). Darfur, der schillernde Konflikt. Verfügbar unter: http://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2016-09-09-diaspora-und- genozidforschung-darfur-der-schilllernde-konflikt (Stand: 10.09.17)

Saenz-Arroyo, A., Roberts, C., Torre, J., Carino-Olvera, M., & Enríquez-Andrade, R. (2005). Rapidly shifting environmental baselines among fishers of the Gulf of California. Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences, 272(1575), 1957- 1962.

Spiegel Online (2017). Hurrikan „Irma“. Möge Gott uns alle beschützen. Verfügbar unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/hurrikan-irma-was-die-wissenschaft-ueber- den-sturm-weiss-a-1166392.html (Stand: 15.09.2017)

United Nations Environment Programme (UNEP): Sudan. Post-Conflict Environmental Assessment, Nairobi 2007.

Welzer, H. (2010). Klimakriege: wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. 2.A. Frankfurt: S. Fischer Verlag.

Die unvorhersehbaren Konsequenzen der Erderwärmung: Soziale Folgen und Klimakriege (Teil 1)

Psychologische Erklärungsansätze des „Nicht-Handelns“: Warum fällt es uns so schwer, unsere Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern? 

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Bild: Pixabay (cocoparisienne)

Im Juni 2017 verkündete US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen, eine internationale Klimaschutzvereinbarung, der rund 190 Staaten angehören. Diese haben das gemeinsame Ziel vor Augen, die Erderwärmung im Schnitt auf maximal zwei Grad Celsius zu beschränken. Die Entscheidung Trumps repräsentiert die Haltung vieler US-Bürger zum Klimawandel: Jeder Fünfte äußert Zweifel am Klimawandel oder lehnt diesen gänzlich ab, während lediglich 17 Prozent die Erderwärmung als alarmierend einstufen (Roser-Renouf, Maibach, Leiserowitz & Rosenthal, 2016).

Wie kann man sich diese Haltung erklären, angesichts der Häufung und Dimensionen extremer Wetterereignisse, die in Form von Tornados oder Hurrikanen auch die Vereinigten Staaten heimsuchen? Der Sozialpsychologe Harald Welzer (2010) schildert in seinem Buch „Klimakriege“ unter anderem Erklärungsansätze für widersprüchliche Verhaltensweisen in Bezug auf den Klimawandel, welche auf psychologischen Theorien beruhen und im Folgenden kurz erläutert werden.

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Bild: Pixabay (Comfreak)

Innere Konflikte und kognitive Dissonanz: Warum wir trotzdem weiter in den Urlaub fliegen und unseren Lebensstil nicht einschränken

Am Beispiel der USA könnte das Konstrukt der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1962) zum Tragen kommen. Tatsächlich eintretende Ereignisse, wie langandauernde Trockenphasen in Kalifornien, schmelzende Gletscher in den Rocky Mountains oder regelmäßige Überschwemmungen in Küstengebieten unterstützen die Theorie des Klimawandels, jedoch würde dies bedeuten, den verschwenderischen, amerikanischen Lebensstil zu ändern – das moralisch vertretbare Verhalten stimmt demnach nicht mit dem aktuellen Verhalten überein und Berichte über den Klimaeffekt stehen im Kontrast zum eigenen, nicht klima-gerechten Verhalten, was zu einem inneren Konflikt führt.

Um das Gefühl dieser Dissonanz zu reduzieren, kann man verschiedene Strategien anwenden. Der einfachste Weg ist es, den Klimawandel zu negieren, indem man ihn beispielsweise als die Erfindung Chinas umdeutet. Wenn etwas nicht existiert, muss man sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen und kann wieder guten Gewissens den großvolumigen 12 Zylinder spazieren fahren.

Dissonanzreduktion hat jedoch verschiedene Gesichter. Auch Menschen, die an den Klimawandel glauben, geben keineswegs bereitwillig ihre eingefahrenen und bequemen Verhaltensweisen auf, um die Erderwärmung abzumildern. Es wird trotzdem noch in den Urlaub geflogen, mit dem einzigen Unterschied, dass dies nun mit schlechtem Gewissen geschieht. „Es kann schon genügen, ein Bewusstsein über das Problem zu haben, was einem suggeriert, dass man ihm nicht gleichgültig oder gedankenlos oder gar ohnmächtig gegenübersteht. Man ändert also seine Einstellung zum Problem und nicht seine Ursache“ (Welzer, 2010, S.27). Der innere Spannungskonflikt wird hier reduziert, indem man sich beispielsweise vornimmt, das letzte Mal in einen Flieger zu steigen, sich die Solarkollektoren auf dem Garagendach ins Gedächtnis ruft, oder seinen Lebensstil mit dem Anderer vergleicht und feststellt, dass der eigene CO2-Fußabdruck im Verhältnis dazu noch ganz akzeptabel ist.

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„Sorry, Urlaub war uns wichtiger.“     Bild: Pixabay (slavikfi)

Verantwortungsbewusstsein: „Nach uns die Sintflut“ 

Diese Gedankenvorgänge werden durch ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein bezüglich der Problematik des Klimawandels verstärkt. Laut Welzer (2010) findet die Übernahme von Verantwortung nur dann statt, wenn eine zeitliche Nähe zwischen der Ursache und der Folge einer Handlung besteht. Die eigentlichen „Verursacher“ des Klimawandels können oft nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da sie nicht mehr unter den Lebenden weilen und die heute eintretenden Folgen damals nicht vorhersehen konnten.

Darüber hinaus besteht für die heutigen Generationen keine Garantie, dass die empfohlenen Klimaschutzmaßnahmen eine bedeutsame Wirkung zeigen, von denen, abgesehen davon, erst die Generationen nach uns profitieren würden. „Einer im Jahr 2007 lebenden 40jährigen Person wird eine Verantwortung für ein Problem zugeschrieben, dessen Verursachung zeitlich vor ihrer Geburt und dessen Lösung nach ihrem Tod lokalisiert ist, weshalb sie weder auf die Verursachung noch auf die Lösung direkt Einfluss nehmen kann“ (Welzer, 2010, S.32).

Die Ursache-Folgen-Kette des Klimawandels ist demnach generationsübergreifend, was die Erfahrbarkeit der Problematik erschwert und neben dem daraus resultierenden Gefühl der Nicht-Verantwortlichkeit auch zu einer absinkenden Handlungsmotivation führt. Diese fehlende Motivation wird darüber hinaus durch die geringe Kontrollierbarkeit von Umweltproblematiken bedingt. Während einige Industriestaaten allmählich aufwachen und auf nachhaltiges Wachstum umsatteln, beharren Schwellenländer auf ihrem Recht, die gleichen Fehler begehen zu dürfen, wie sie einst andere Nationen vor ihnen begangen haben, um ein uneingeschränktes, wirtschaftliches Wachstum zu erlangen.

Problematiken wie Ressourcenverbrauch und Umwelt- verschmutzung werden dadurch verstärkt und machen die einzelnen, lokalen Bemühungen fortschrittlich denkender Nationen zu Nichte. Das Gefühl, als einzelner Akteur nichts bewirken zu können, macht sich breit, man steht dem Problem ohnmächtig und handlungsunfähig gegenüber, daraus resultiert eine geringe Bereitschaft, sein Verhalten zu ändern, da die positiven Effekte ungewiss sind.

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Bild: Pixabay (niekverlaan)

Shifting Baselines: Wir nehmen nur wahr, was zu unserem Referenzrahmen passt 

Ein weiteres, sozialpsychologisches Phänomen, welches die teilweise indifferent scheinenden Einstellungen dem Klimawandel gegenüber erklären könnte, nennt sich „Shifting baselines“. Menschen empfinden den aktuellen Zustand ihrer Lebens- und Erfahrungszeit immer als natürlich und normal, da sich die Orientierungspunkte, an denen unsere Wahrnehmungen festgemacht werden, schleichend und unmerklich verschieben.

Welzer (2010) erwähnt in diesem Zusammenhang eine Studie zur Einschätzung des Fischbestandes kalifornischer Fischer (Saenz-Arroyo, Roberts, Torre, Carino-Olvera & Enriquez-Andrade, 2005). Hierbei wurden drei Fischer-Generationen zur Vielfalt, Größe und Vorkommen der hiesigen Fischarten befragt. 80 Prozent waren der Meinung, dass die Bestände insgesamt zurückgegangen seien, jedoch unterschied sich die Wahrnehmung hierzu deutlich von Generation zu Generation. Während die älteste Gruppe noch 11 Arten benennen konnte, die vor der Küste nicht mehr auftauchten, zählte die jüngste Gruppe nur zwei Fischarten auf. Daher gaben auch lediglich 10 Prozent der jungen Fischer an, dass Bestände gänzlich verschwunden seien. Kaum einer von ihnen wusste, dass die Generationen vor ihnen noch in unmittelbarer Küstennähe fischen konnten, in ihrer Erfahrungswelt hat es dort niemals Fische gegeben, daher wurde die Brisanz der Überfischung auch wesentlich geringer eingeschätzt, als durch die ältere Generation.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Verschiebung der Wahrnehmung und Bewertung von Orientierungspunkten den Umgang mit Umweltproblematiken erheblich erschweren kann. In Bezug auf den Klimawandel heißt das, dass immer wärmer werdende Winter, früher einsetzende Sommer oder extreme Wetterereignisse anfangs mit höherer Intensität wahrgenommen werden, anschließend wird der Nachrichtenwert und die Aufmerksamkeit zurückgehen, und die Verschiebung wird in unserer Wahrnehmung allmählich selbstverständlich. „Man hält zunehmend für ‚natürlich’, was eigentlich wenig mit der Natur zu tun hat“ (Welzer, 2010, S.214).

Das Augenmerk des Autors liegt jedoch nicht auf der Gewöhnung an ökologische Folgen des Klimawandels, sondern vielmehr auf dadurch entstehende soziale Probleme, die in den aktuellen Debatten um den Klimawandel oftmals zu kurz kommen. Durch die Verschiebung der Küstenlinien, voranschreitende Versteppung und Wüstenbildung oder Häufung von Extremwetterereignissen wird weltweit immer mehr Menschen die Existenzgrundlage entzogen. Innerstaatliche Konflikte, Bürgerkriege und Massenmigrationen, die direkt mit den Folgen der Erderwärmung in Zusammenhang stehen, führen zu einer neuen Dimension der Kriegsführung.

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Bild: Pixabay (Myriams-Fotos)

 

Autor: Jana Schindler (Gastbeitrag)

Quellen:

Festinger, L. (1962). A theory of cognitive dissonance (Vol. 2). Stanford University press.

Kelley, C. P., Mohtadi, S., Cane, M. A., Seager, R., & Kushnir, Y. (2015). Climate change in the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(11), 3241-3246.

Pro Asyl (2014). Neue Schätzung: Mindestens 23000 Tote seit dem Jahr 2000. Verfügbar unter: https://www.proasyl.de/news/neue-schaetzung-mindestens-23-000-tote-fluechtlinge-seit-dem-jahr-2000/ (Stand: 12.09.17)

Prunier, G. (2007). Darfur. Der» uneindeutige «Genozid. Hamburg.

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Roser-Renouf, C., Maibach, E., Leiserowitz, A., & Rosenthal, S. (2016). Global Warming’s Six Americas and the Election, 2016. Yale University and George Mason University. New Haven, CT: Yale Program on Climate Change Communication.

Ruhr Universität Bochum. (2016). Darfur, der schillernde Konflikt. Verfügbar unter: http://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2016-09-09-diaspora-und-genozidforschung-darfur-der-schilllernde-konflikt (Stand: 10.09.17)

Saenz-Arroyo, A., Roberts, C., Torre, J., Carino-Olvera, M., & Enríquez-Andrade, R. (2005).Rapidly shifting environmental baselines among fishers of the Gulf of California. Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences, 272(1575), 1957-1962.

Spiegel Online (2017). Hurrikan „Irma“. Möge Gott uns alle beschützen. Verfügbar unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/hurrikan-irma-was-die-wissenschaft-ueber-den-sturm-weiss-a-1166392.html (Stand: 15.09.2017)

United Nations Environment Programme (UNEP): Sudan. Post-Conflict Environmental Assessment, Nairobi 2007.

Welzer, H. (2010). Klimakriege: wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. 2.A. Frankfurt: S. Fischer Verlag.

Nachhaltigkeit – was können WIR ändern?

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Diesmal möchte ich nicht schreiben, sondern Antworten von euch hören. In letzter Zeit beschäftigt mich das Thema rund um Nachhaltigkeit sehr. Warum geht es uns in Deutschland so gut, dass wir täglich gutes Essen wegwerfen, während in anderen Ländern der Welt Millionen von Menschen hungern? Warum kommt unser ganzer Müll – illegaler Elektroschrott wie Kühlschränke, alte Fernseher, Computer oder Kopierer – nach Afrika? Jeden Tag brennt in Ghanas Hauptstadt Accra Elektroschrott aus der sogenannten Ersten Welt. Statt zur Schule zu gehen, sammeln dort kleine Kinder die letzten Reste von verbranntem Metall. Besonders begehrt sind Kupferdrähte, um sie für wenig Geld zu verkaufen – mit katastrophalen Folgen für ihre Gesundheit.

Mehr Informationen darüber auf: http://www.br.de/radio/b5-aktuell/sendungen/notizen-aus-aller-welt/afrikas-gefaehrlichster-muellplatz-notizen-aus-ghana-100.html

Nun lautet meine Frage an euch: Wie viel und was würdet ihr an eurem Lebensstil ändern, um einer gerechteren, einer faireren und besseren Welt ein Stück näher zu kommen? Wäret ihr beispielsweise bereit, teurere Lebensmittel oder Klamotten zu kaufen, die garantiert nachhaltig (z.B. Fair Trade) hergestellt wurden – anstatt sich das neueste Smartphone oder Auto anzuschaffen? Ich finde am meisten muss sich der einzelne Verbraucher umstellen, um eine Veränderung in Gang zu bringen. Doch leider sind die meisten von uns dafür noch viel zu bequem. Wir dürfen unsere Welt nicht mehr so ausbeuten, wie wir es momentan tun. Helft mit und tragt dazu bei eine freundlichere Atmosphäre zu gestalten, eine, in der ALLE berücksichtigt werden und man alles, was man der Erde nimmt, auch wieder an die Erde zurückgibt. Ich freue mich über eure Kommentare und Anregungen zu diesem Beitrag!