Einfach mal machen

Mit 18 im Chefsessel? Für viele Jugendliche ist das keine Illusion mehr. Von der wechselbaren Bambuszahnbürste bis zum eigenen Vintageladen: Warum junge Menschen ohne Ausbildung ihr eigenes Unternehmen gründen und wie es ihnen dabei geht.

Auf der anderen Seite des Main, abseits von Würzburgs Innenstadt, haben Konrad Oertel und Felicitas Jander (beide 21) eine Heimat für ihren Laden gefunden. Und sich ihren Traum von Freiheit und Kunst erfüllt. Zwischen einem Fahrradladen und einer Werkstatt für Vespas, mitten im Gewerbegebiet der Zellerau, liegt das „Kapitel II“. Für Konrad und Fee, wie sie hier jede*r nennt, mehr als „nur“ ein Second-Hand-Laden: Sie wollen hier mit Kreativabenden, Kunstprojekten oder Konzerten einen Ort der Begegnung schaffen, der ihnen in der Stadt bislang gefehlt hat. „Viele Künstler*innen ziehen in die großen Städte wie Berlin, weil Kleinstädte immer unattraktiver werden. Dem wollen wir entgegenwirken“, erklärt Konrad. Auf den 150 Quadratmetern Fläche finden so unter anderem auch ein Ton- und Tattoo-Studio Platz, das sie an Künstler*innen untervermieten.

„Ich hatte Lust etwas aktiv anzupacken“ – Konrad Oertel, Gründer Kapitel II

Die Idee mit dem Laden hatte Konrad schon vor seinem Abitur im Sommer 2019: „In Würzburg gab es nicht so wirklich viele Vintageläden, das war eine Geschäftslücke.“ Für ihn war auch klar, dass er kein Studium oder eine Ausbildung machen möchte: „Ich hatte Lust etwas aktiv anzupacken, das mit dem Laden war alles so real“, erzählt Konrad. Als er Felicitas beim Feiern im Club durch gemeinsame Freunde kennenlernt und ihr von seiner Idee erzählt, ist sie sofort begeistert und sagt: „Lass uns das zusammen machen!“ Gesagt, getan: Konrad meldet das Gewerbe an, die beiden finden nach monatelanger Suche die passende Ladenfläche, sehen sich nach Großhändlern um, kaufen eine Kasse, bauen mit Freunden die Möbel. Am 18. Januar 2020 eröffnen sie ihr Geschäft.

Mit der eigenen Idee durchstarten, etwas verändern wollen, unabhängig sein – damit sind Felicitas und Konrad in ihrem Alter nicht allein. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn gründeten 7,9 Prozent der Frauen und 8,9 Prozent der Männer zwischen 18 bis 24 Jahren im Jahr 2019 ein Unternehmen. Doch wie kommt man darauf, sich ohne Ausbildung selbständig zu machen? „Die meisten haben eine Idee, für die sie brennen. Gleichzeitig wollen viele einfach mehr erreichen und strotzen nur so vor Energie und Enthusiasmus“, sagt Johannes Weber. Er ist Geschäftsführer von „4vestor“, ein Münchner Unternehmen, das junge Menschen bei der Gründung berät und hier mit der Agentur für Arbeit kooperiert. „Wir können, wenn es arbeitsmarktlich sinnvoll ist, einen arbeitslosen Bewerber bei seiner Gründung mit einem Gründungszuschuss fördern“, so Susanne Eikemeier, Pressereferentin der Bundesagentur für Arbeit. Dazu müssten Bewerber*innen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und zeigen, dass ihr neues Unternehmen erfolgversprechend ist. Aber: „Sich professionelle Hilfe zu suchen, liegt den meisten jungen Gründern nicht so. Sie wollen vor allem schnell, schnell vorwärts und da braucht man keinen Berater, der auf die Bremse drückt“, meint Johannes Weber. Im Fall von Konrad und Felicitas hat es ohne Beratung geklappt: „Wir haben uns das angeguckt, aber das war nicht die Art, auf die wir es machen wollten. Wir haben nichts durchgeplant – ‚einfach drauf los‘ – und sind bisher erstaunlich wenig auf die Nase gefallen“, sagt Konrad und stellt fest: „Man muss keine fertige kaufmännische Ausbildung haben, um einen Laden aufzumachen.“ Das Paar hat viel Unterstützung aus der Familie und dem Freundeskreis erfahren: Startkapital vom Opa, den Onkel als Finanzberater und Freunde zum Anpacken.

„Die meisten haben eine Idee, für die sie brennen. Gleichzeitig wollen viele einfach mehr erreichen und strotzen nur so vor Energie und Enthusiasmus“ – Johannes Weber, Geschäftsführer „4vestor“

Bei Tobias Weiskopf (23) aus dem Landkreis Freising lief das anders. Als er sein Unternehmen „juvela“ – eine Agentur für Jugendarbeit – bereits während dem Abitur mit 18 Jahren gründet, nimmt er die kostenlosen Beratungsangebote der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Anspruch. „Ich war sehr froh bei dem Dschungel des Bürokratiewahnsinns von Buchhaltung bis Steuererklärung unterstützt zu werden“, so Tobias. Die IHK fördert Gründer*innen mit individuellen Gesprächen und Vorträgen über Themen wie Businessplan, Recht und Steuern oder der Finanzierung, erklärt Catherine Schrenk, Betriebswirtschaftliche Beraterin der IHK München und Oberbayern. Auch wenn die IHK junge Gründer*innen in ihren Ideen grundsätzlich ermutigt, rät sie trotzdem zu einer Ausbildung nach der Schule: „Das ist eine sehr gute Basis, denn man weiß nie, was in der Zukunft passiert und ob sich das Unternehmen bewährt“, so Schrenk.

„Ich war sehr froh bei dem Dschungel des Bürokratiewahnsinns von Buchhaltung bis Steuererklärung unterstützt zu werden“ – Tobias Weiskopf, Gründer von „juvela“

Das hat sich auch Andrija Vuksanovic (19), Geschäftsführer des IT-Startups „Titanom“, zu Herzen genommen. Der Germeringer, der bereits mit elf Jahren programmierte, führt ein Softwareunternehmen mit zwölf Angestellten und studiert nebenbei noch Wirtschaftsinformatik an der TU München. „Ich war schon immer ein sehr getriebener Mensch mit hohem Tatendrang, wollte mich weiterbilden und hatte Lust etwas zu machen, Dinge zu Ende zu bringen“, beschreibt Andrija seine Motivation das Unternehmen zu gründen – auch wenn es ihn bereits viele schlaflose Nächte gekostet hat. „Ich kann nicht problemlos abschalten. Es gab eine Zeit, da habe ich vier Monate am Stück von morgens bis abends gearbeitet, das ist natürlich eine Belastung für die persönlichen Beziehungen, Freunde fallen weg, man muss bluten können“, erzählt er.

„Man muss bluten können“ – Andrija Vuksanovic, Geschäftsführer „Titanom“

Ähnlich wie Andrija kombiniert auch Alexandar Antica (21) Startup und Studium. Nach seinem Abitur ist der Gaimersheimer nach Berlin gezogen – in aller erster Linie, um dort die Startup-Szene zu erkunden. Und um nebenbei Betriebswirtschaftslehre an der HWR zu studieren. Bereits im ersten Semester entwickelt er die Idee für sein eigenes Startup: eine nachhaltige Bambuszahnbürste mit wechselbarem Aufsatz, ähnlich wie bei elektrischen Zahnbürsten, um so dem Bambusschwund vorzubeugen. „Ich wollte einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, es sollte nicht nur um mich gehen“, so Alexandar. Sein Antrieb: Grenzenlosigkeit. Und das Gefühl, dass Ziele real werden. „Jetzt ist die beste Zeit, um auszuprobieren, hinzufallen und wieder aufzustehen“, sagt der 21-Jährige – und hat bereits die nächsten Ideen im Kopf.

„Jetzt ist die beste Zeit, um auszuprobieren, hinzufallen und wieder aufzustehen“ – Alexandar Antica, Startup-Gründer „My Bambio“

Auch Konrad und Felicitas sehen ihren Vintageladen eher als „Projekt für jetzt“ und würden ihn in ein paar Jahren gerne weitergeben und sich dann neuen Dingen widmen. „Vielleicht Mode selber machen, Filmmusik produzieren oder einen sozialen Beruf erlernen“, meint Konrad. Und Fee? „Etwas komplett Neues ausprobieren, in eine Großstadt gehen und irgendwann ein Wohnprojekt mit verschiedenen Generationen auf einem Bauernhof starten.“

Zu viel Sonne in der Neustadt?

Citrin Solar baut eine nahezu energieautarke Siedlung am Rande Moosburgs. Gute PR, sowohl für das Unternehmen als auch die Stadt selbst, die sich gerne als klimafreundliche Kommune darstellt. Doch nicht alle erfreuen sich an dem sehr verdichteten Neubauprojekt.

475.000 Euro für knappe 90 Quadratmeter, ein stolzer Preis für drei Zimmer in der Neustadt. Doch die Verkäufer haben gute Argumente für ihre 34 neuen Wohnungseinheiten: Sie sollen sich – zumindest, was die Energieversorgung angeht – fast komplett selbst versorgen. Deshalb überrascht es auch nicht, dass ein Großteil der Häuser bereits vor Baubeginn vergeben war. Immerhin: Die Drei-Zimmer-Wohnung ist noch zu haben.

Citrin Solar ist kein Noname im Landkreis Freising. Seit 2002 produziert das Unternehmen Solaranlagen in Moosburg. Umso mehr erfreut es die Stadt wohl, dass die heimische Firma auf ihrem 1,2 Hektar großen Grundstück neben der CS-Zentrale nun Wohnraum für 34 Parteien schafft. Die Fläche, auf der unter anderem ein städtischer Kindergarten sowie ein Spielplatz gebaut werden sollen, entspricht etwas mehr als der Rasenfläche der Allianz Arena. Wohnen werden dort sowohl Familien als auch kinderlose Paare und Singles. Mit dem modernen Neubauprojekt stampft Citrin Solar eine komplette Siedlung für sich aus dem Boden – das nachhaltige Wohnquartier in Moosburg, wie es im Werbeprospekt betitelt wird. Energieautark sind die Häuser durch Photovoltaikanlagen mit Akkuspeicher sowie einem Nahwärmenetz mit Solarthermie und Biomasse. Zudem wird es ein quartierseigenes Carsharing E-Auto inklusive E-Schnellladestation geben. Als Zuckerl oben drauf gibt’s Glasfasernetz.

Klingt soweit alles nachhaltig, zukunftsorientiert und vorbildlich – wären da nicht die kritischen Stimmen zum Sonnenquartier. Alfred Wagner, der für die Grünen im Stadtrat sitzt, befürchtet eine Belastung für die Verkehrsanbindung in der ohnehin schon dicht bebauten Neustadt: „Die Sonnenhaussiedlung wird dies natürlich verstärken.“ Hinzu kämen die vielen Neubauten in der benachbarten Sudetenlandstraße.

Hanns Koller, ehemaliger Geschäftsführer bei Citrin Solar, betreut das Projekt seit knapp fünf Jahren. Er findet versöhnliche Worte für die Zusammenarbeit Moosburgs Verwaltung: „Die Kooperation hat stets gut funktioniert. Aber schmücken tut sich die Stadt schon gern mit unserem Leuchtturmprojekt“, so Koller – gleich wenn es von privater Hand gestemmt werde. Ein Vorteil im Konzept der Sonnenhäuser: Citrin Solar ist nicht nur Bauherr, sondern auch Hersteller. Die Energieversorgung der Wohnhäuser kann so gut im Auge behalten werden.

Defizite in der Rohstoffkette zeigt der beauftragte Architekt Rudolf Heinz auf: „Mit dem Bauen beginnt die Produktionskette, und damit auch die Frage nach den Rohstoffen.“ Diese würden fast ausschließlich aus der Region angeliefert. So produziert das Bucher Unternehmen Leipfinger Bader die Ziegelsteine für die Sonnenhäuser.

Großer Wert wurde zudem auf Nachhaltigkeit gelegt. So sollen alle Produkte nach dem Abbau der Häuser in ferner Zukunft recyclebar sein. „Nachhaltiges Bauen klingt nett, doch was steckt dahinter?“, meint Heinz hierzu. Was er sagen will: Je weiter der Weg, den die Rohstoffe zurücklegen müssen, desto schlechter wird die Klimabilanz. Doch selbst bei Leipfinger Bader wisse er nicht, woher der Hersteller seine Rohstoffe für die Ziegel bekomme. Die Kette sei nicht transparent. Hierfür wären Zertifikate nötig, die es so momentan noch nicht gibt, meint Heinz. Schwer sei es außerdem, beim Bauen einzusparen: Die Preise würden stetig steigen, was die Freiheit beim Bauen erschwere. Deshalb müsse man sich mit Kompromissen abfinden: „Die Fläche, die einem zur Verfügung steht, muss man bewusst und intelligent ausnutzen“, so Heinz.

Moosburgs Stadtplanung und Bauen hätten sich durch den Klimawandel bisher nicht wesentlich verändert, meint Bauamtsleiter Herbert Held: „Nur in unserem Neubaugebiet Amperauen hat der Stadtrat beschlossen, auf fossile Brennstoffe komplett zu verzichten.“ Haushaltsmittel wurden laut Held bislang nicht für klimafreundliches Bauen verwendet.

Melanie Falkenstein nennt den bayerischen Verwaltungsapparat als eine der größten Hürden beim Thema Energiewende. Als Beispiel nennt Moosburgs Klimaschutzmanagerin die durch den Landtag verabschiedete Windkraftverordnung, die es Kommunen nahezu unmöglich macht, Windräder zu bauen. Zudem fehle es an Personal in der Verwaltung und an Veränderung generell.

Die Moosburger Solarfreunde, die stets eng mit Citrin Solar zusammenarbeiten, befürworten das moderne Bauprojekt. Deutlichen Nachholbedarf sieht stellvertretender Vorsitzender Andreas Mayerthaler jedoch im Engagement der Stadt hinsichtlich der Energiewende: „Moosburg hat mit manchen Aktionen wie dem Bauen von PV-Anlagen zu lange gewartet, beispielsweise bei der neuen Obdachlosenunterkunft.“

Zum Klimaimage Moosburgs meint Koller: „Beschlüsse sind nun dringend nötig, wenn die Stadt wie beschlossen bis 2035 komplett CO2-neutral sein möchte. Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Die Nachfrage an den Sonnenhäusern jedenfalls sei hoch.

Laura Schindler

Hier geht’s zum Original-Artikel in der SZ Freising.

Auf Worte müssen Taten folgen

Vom Projekt CS-Sonnenhäuser profitieren wiederum nur Wohlhabende

Das Bauprojekt CS-Sonnenhäuser der Firma Citrin Solar wirft durchaus ein gutes Licht auf Moosburg, die Neustadt soll glänzen. Die Kommune, die sich gerne als „Solarstadt“ geriert, prahlt, Citrin Solar zahlt – und kassiert. Leisten können sich die exklusive Schönwetterlage allerdings wieder nur wohlhabende Familien und Haushalte. Ein faires Projekt für alle sieht anders aus. Weder wurde auf bezahlbaren Wohnraum geachtet, noch auf den sich zuspitzenden Verkehr in der Neustadt.

Mit gutem Beispiel geht Citrin Solar dennoch voran und beweist: Nachhaltiges Bauen sowie modernes Wohnen in der Stadt sind möglich. Die Kommune selbst muss – abgesehen vom Kindergarten – dafür nicht groß Hand anlegen, sondern fährt die Lorbeeren ein.

Doch es wäre längst an der Zeit, dass auch die Stadt selbst aktiv wird: zum Beispiel mit Fotovoltaikanlagen für die Obdachlosenunterkunft sowie Geld für klimafreundliches Bauen im Haushalt. Es ist höchste Zeit, auf die Worte Taten folgen zu lassen.

Hier geht’s zum Original-Kommentar in der SZ Freising.

 

Kurzes Video zu den Sonnenhäusern von Citrin Solar in Moosburg.

„Utopia hat etwas Besonderes – es war sehr cool hier!“

DJ Sam Feldt im Exklusiv-Interview über Utopia Island und seine Musik

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DJ Sam Feldt hat bei den Gästen zur Preparty von Utopia Island ordentlich für Stimmung gesorgt. © Laura Schindler

Auf der Preparty von Utopia Island hat der international gefeierte, niederländische DJ Sam Feldt (24) den Besuchern ordentlich eingeheizt. Ich habe ihn für die Moosburger Zeitung nach seinem Auftritt getroffen und mit ihm über seine Musik gesprochen.

Wie war es für dich, auf Utopia Island aufzutreten? Wie hast du das Festival an sich wahrgenommen?

Sam Feldt: Es war mein erstes Mal hier, deshalb wusste ich gar nicht, was mich erwarten würde. Es war schön, dass ich auf der Preparty auflegen durfte, da die Leute zu diesem Zeitpunkt noch voller Energie sind und toll auf dich eingehen. Es war wirklich sehr cool hier, es hat mir gut gefallen!

Und ist dir irgendetwas Besonderes hier aufgefallen, das Utopia Island von anderen Festivals unterscheidet, nachdem du ja immerhin bereits fast auf allen großen Electro-Festivals der Welt aufgelegt hast?

Sam Feldt: Ja, ich durfte wirklich schon auf vielen Festivals spielen, wie beispielsweise Tomorrowland, Coachella, UMF oder Ushuaia. Ich finde, dass das Publikum, besonders hier in Deutschland, einfach einzigartig ist. Und das macht den Unterschied! Du kannst das größte Festival, die schönste Bühne, die meisten Zuhörer haben – aber wenn die Leute nicht abgehen, ist das überhaupt nichts wert. Und hier war es eben sehr einfach, es war nur ein Zelt, aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, und das war, weil die Leute so gut mitgegangen sind.

Und was speziell macht dann den Unterschied: Sind es die Deutschen im Allgemeinen, war es das Festival, die Location oder einfach das Gesamtpaket?

Sam Feldt: Na ja, in Deutschland hast du generell fantastische Zuhörer. Aber hier war ich wirklich überrascht, denn als ich angefangen hatte, mein Set zu spielen, war es noch sehr ruhig. Aber dann, nach etwa 20 Minuten, hat sich das Zelt schnell gefüllt. Normalerweise dauert es eine Weile, bis man in der Stimmung ist, Party zu machen. Aber hier sind die Leute wirklich von der einen auf die andere Minute dabei gewesen. Und ich denke, das ist schon etwas Besonderes an Utopia Island.

Wie wurdest du auf das Utopia Island Festival aufmerksam?

Sam Feldt: Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie davon gehört, da ich in Amsterdam in den Niederlanden lebe und wir haben viele eigene Festivals dort. Mein Booking Team hat alles organisiert, aber natürlich habe ich mich davor über Utopia Island informiert und mir ein paar alte Videos angesehen und dann war ich echt aufgeregt, hier zu performen!

Press & Features Sam Feldt
Sam Feldt hat allein auf Spotify über sechs Millionen monatliche Hörer. © Sam Feldt

Warst Du schon immer ein Fan von elektronischer Musik?

Sam Feldt: Ich war schon immer ein Fan von vielen Genres. Ich hab Metallica und die Foo Fighters gehört, aber auch John Mayer oder Jack Johnson, Rock, Pop, Folk – alles Mögliche. Das ist auch der Grund, warum ich versuche, so viele melodische Aspekte in meine Songs zu packen wie möglich. Mit dieser Musik bin ich aufgewachsen.

Wann hast du dich dazu entschieden, DJ zu werden und warum?

Sam Feldt: Ich erinnere mich noch genau an ein Festival vor langer Zeit, als ich Justice zum ersten Mal live gesehen habe. Und ich dachte mir: Wow, das ist echt cool, dass du das alles mit Computern und elektronischer Musik machen kannst. Das war der Moment, als ich mich dazu entschieden habe, DJ zu werden. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich bereits angefangen, ein wenig meine eigenen Songs zu produzieren. Vor etwa acht Jahren habe ich beschlossen, dass ich es wirklich versuchen werde und ich habe mir die ganze Ausrüstung zugelegt, versucht einen Vertrag zu bekommen und dann hat es immerhin noch fünf Jahre gedauert, bis ich einen hatte!

Wie ist es für dich, wenn du an diesen Anfang zurückdenkst und deinen Erfolg heute siehst und einen Vergleich ziehst?

Sam Feldt: Das ist wirklich unglaublich! Es gab viele Momente, in denen ich mir gesagt habe, dass ich aufgeben werde, mir einen normalen Job suchen werde. Jeder um mich rum hat angefangen, einen richtigen Beruf zu lernen, das war viel Druck. Aber ich bin wirklich froh, dass ich meinen Traum nicht aufgegeben habe, jetzt im Nachhinein ist alles gut geworden.

Hat der Erfolg etwas in deinem Leben verändert?

Sam Feldt: Alles! Davor war ich in der Schule, verbrachte meine ganze Freizeit hinter dem Computer, um Musik zu machen. Und nun verbringe ich die meiste Zeit auf der Straße, spiele Shows, ich bin kaum zu Hause und überall auf der Welt unterwegs. Das alles hat mein Leben in vielen Dingen verändert, aber die meisten davon sind gut. Wenn ich auf die Bühne gehe, denke ich mir: Das ist es wert!

Bist du noch nervös, wenn du auf Festivals auftrittst?

Sam Feldt: Es gibt ein paar Festivals, bei denen ich wirklich noch aufgeregt bin, beispielsweise das Ultra Music Festival, weil dort Millionen Menschen den Livestream ansehen und wenn du einen Fehler machst, es alle mitbekommen! Aber auf normalen Festivals habe ich das eigentlich nicht mehr.

Wie erklärst du dir den Hype um elektronische Musik in den letzten fünf bis zehn Jahren?

Sam Feldt: Wenn du heutzutage das Radio anmachst, kannst du einen Dance-Song nicht mehr wirklich von einem Pop-Song unterscheiden. Es ist irgendwie eins geworden. Im Gegensatz zu früher ist heute EDM Pop und Pop ist EDM. Leute wie Robin Schulz werden überall im Radio gespielt. Das ist, denke ich, einer der Faktoren: Es ist mittlerweile ziemlich Mainstream geworden. Davor war Dance-Musik nur etwas für den Club und Popmusik nur etwas fürs Radio, jetzt ist es vermischt.

Wie ist es für dich mit so bekannten DJs wie etwa Akon oder Inna zusammenzuarbeiten?

Sam Feldt: Das ist eine sehr große Ehre! Seit ich ein Kind bin, höre ich die beiden beispielsweise, es ist toll, nun mit ihnen arbeiten zu dürfen. Vor ein paar Jahren noch hätte ich mir das nie erträumt!

Hast du irgendwelche Vorbilder?

Sam Feldt: Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird und eine schwierige Frage! Ich habe viele Vorbilder in vielen Lebensbereichen, wie Musik, Sport, im Leben allgemein. Aber ich kann nicht sagen, dieser eine ist mein Vorbild! In der Musik inspirieren mich viele Live-Bands wie zum Beispiel die Beatles. Aber es ist schwierig, einen herauszupicken.

Und in deiner Familie?

Sam Feldt: Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Mein Vater hat schon immer Gitarre gespielt, hat viele Songs geschrieben und spielt immer noch in einigen Bands, die Musik war also schon immer ein wichtiger Teil in meinem Leben. Meine Mutter begleitet mich auch immer auf sehr viele Festivals. Von ihnen habe ich sehr viel Inspiration bekommen, jedoch sehe ich sie nicht als Vorbilder, weil das bedeuten würde, dass ich genau so werde wie sie und in ihre Fußstapfen trete. Ich denke jedoch, dass man im Leben seinen eigenen Weg finden und gehen soll.

Bald kommt deine neue Single mit Akon und im Herbst ein neues Album raus. Auf was dürfen wir gespannt sein?

Sam Feldt: Genau, am 17. August erscheint die neue Single mit Akon. Der Song beinhaltet eine tolle Kombination von unseren beiden Styles, es war etwas komplett Neues für mich, da ich noch nie zuvor mit einem Rapper zusammen gearbeitet habe. Es ist eine Art Reggae-Hip-Hop-House-Song. Ende Oktober kommt das neue Album, in dem viel neue Sam Feldt-Musik steckt, um die 24 Songs, mit vielen neuen Experimenten, neuen Künstlern, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. In dem Album wird man die Vielfalt zu spüren bekommen, für die Sam Feldt steht!

 

Vielen Dank für das Gespräch! 

sdr
Foto im Backstage-Bereich nach dem Interview musste sein! © Laura Schindler

Utopia lässt sich trotz Regen feiern

15.000 Besucher zur fünften Auflage am Aquapark mit Marteria, Martin Garrix und Co.

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Zum Auftritt der Berliner Hip-Hop-Formation „K.I.Z.“ am Freitagabend war der Bereich vor der Mainstage beim Utopia-Island-Festival voll gefüllt. © Laura Schindler 

Über 15.000 Besucher feierten von Donnerstag bis Sonntag den fünften Geburtstag von Utopia Island am Aquapark. Weltbekannte DJs wie Martin Garrix oder Marshmello und auch Deutschlands wohl derzeit beliebtester Rapper Marteria sowie die Berliner Band „K.I.Z.“ schauten vorbei und lieferten emotionale Auftritte ab. Einziges Manko des Festivalwochenendes war das regnerische Wetter, das den Campingplatz in ein Schlammbad verwandelte.

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Pflichtfototermin am Utopia-Schild.  © Laura Schindler 

Utopia Island wird fünf Jahre alt und alle feiern mit: Egal ob aus Hamburg, Garmisch, Stuttgart oder sogar über die Landesgrenzen hinweg – von überall reisten zahlreiche Festivalfans nach Moosburg, um feinen Elektrosound, Rap und Hip Hop zu hören sowie drei Tage in der Utopia-Blase zu schwelgen. Bereits am Donnerstagvormittag stürmten die ersten Gäste den Campingplatz – lange Wartezeiten am Ticketschalter und bei den Sicherheitskontrollen waren vorprogrammiert.

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Lange Wartezeiten beim Einlass zur fünften Auflage von Utopia Island. © Laura Schindler 

Als große Neuheit auf der Insel wurde das Cashless-System eingeführt, bargeldloses Bezahlen durch einen RFID-Chip, überall auf dem Festivalgelände. Damit verbunden mussten die Besucher ihren Chip bei jedem Einlass aufs Neue scannen lassen. Mehr Sicherheit auf dem Gelände und geringere Wartezeiten an Verkaufsbuden versprachen die Veranstalter, dies traf in den allermeisten Fällen auch zu.

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Neu auf Utopia Island: Das Cashless-System mit RFID-Chip am Festivalbändchen, das jedes Mal bei Einlasskontrollen aufs Neue gescannt werden musste. © Laura Schindler 

Am späten Donnerstagnachmittag feuerte André Dancekowski dann im Aura-Zelt – sicher vor fiesem Regen und Wind – den Startschuss für die fünfte Auflage von Utopia Island ab. Es ging weiter mit Falko Niestolik und schließlich: Sam Feldt. Den international gefeierten, niederländischen DJ haben wir nach seinem Auftritt zum Interview in der Backstage-Area getroffen. Den krönenden Abschluss am Donnerstag bildeten „Drunken Masters“ und „Netsky“.

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Schnappschuss mit Festivalgästen, bevor es zum Auftritt von Marteria auf die Mainstage ging.    © Laura Schindler 

 

In der Zwischenzeit, nach heftigen und andauernden Regenfällen, hatte sich der Campingplatz in eine Schlammwiese verwandelt, auf der man ohne Gummistiefel nicht mehr durchkam und verloren war. Bedauert wurde von vielen Festivalgästen, dass es kein richtiges Camping Village mit ausgelegtem Boden an der Campingplatz-Wiese selbst gab wie im vergangenen Jahr. Da das eigentliche Camping Village laut Pressesprecher Leonhard Mandl auf die gegenüberliegende Straßenseite mit befestigtem Untergrund verlegt wurde, war im Vorhinein nicht geplant, die Wege und den Eingang zum Campingplatz mit Stroh, Kies, Platten, Hackschnitzel oder Ähnlichem auszulegen.

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So matschig war es heuer auf dem Utopia Island Festival…    © Laura Schindler 

Hier geht der Daumen im Punkt Organisation leider runter, denn auch kurzfristig konnte keine Lösung mehr gefunden werden, die die weiten Wege durch den Matsch vom Campingplatz zum Festivalgelände oder Parkplatz erleichtert hätte. Positiver Nebeneffekt für die umliegenden Schuhgeschäfte und Baumärkte: Gummistiefel in den Größen 38 bis 46 waren in kürzester Zeit ausverkauft. Schade war zudem, dass der Campingplatz kein markantes Zentrum mit Musik und Verkaufsständen mehr hatte, die Dekoration und Liebe zum Detail der vergangenen Jahre ging hier verloren.

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Die trotz Regenwetter und Wind wunderschöne Festivalavenue von Utopia Island.  © Laura Schindler 

Man merkt, dass die Insel wächst: Zwar kommen jedes Jahr noch bekanntere Künstler zum Utopia-Island-Festival, dafür gibt es mit jedem Mal auch etwas von seinem besonderen Flair der ersten Jahre ab. Die Ticketpreise werden höher, die Insel wird voller, der Campingplatz gleicht teilweise einer Massenabfertigung. Durch den Umzug der Seaside-Stage ans linke Ufer wurde immerhin das Festivalgelände ein wenig erweitert, wodurch sich die Menschenmassen besser verteilten als noch im vergangenen Jahr.

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Die Festivalgäste ließen sich ihre Laune vom Regen nicht verderben. © Laura Schindler 

Absoluter Höhepunkt waren natürlich die Auftritte der Headliner Marteria, Martin Garrix, „K.I.Z.“ und „Marshmello“. Aber auch Tinie Tempah und Sam Feldt heizten den Festivalbesuchern ordentlich ein. Die beste Bühnenpräsenz zeigte jedoch mit Abstand der Rapper Marteria: Nach dem Motto „Das ist ein Marteria-Konzert!“ riss er sich das T-Shirt vom Leib, schmiss es in die Menge und hunderte Fans in der Masse taten es ihm gleich und sangen seine Songs. Obwohl er bereits einmal fallen gelassen wurde, ließ er sich erneut in der Menge treiben und von seinen Fans auf Händen tragen. Er war derjenige, der seinem Publikum am nächsten war und wusste, dieses mitzureißen.

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Deutschlands derzeit wohl beliebtester Rapper Marteria feuerte am Samstagabend auf dem Utopia-Island-Festival die mit Abstand beste Bühnenshow ab. © Laura Schindler 

Die Veranstalter sahen das ähnlich: „Highlights waren die energiegeladenen Auftritte von Marteria und Martin Garrix mit schönem und auf die Musik abgestimmtem Feuerwerk“, sagte Leonhard Mandl. „Außerdem schön waren die großen Augen von den vier Hamburgern, die ein Meet-and-Greet mit ,ATB‘ gewonnen haben. Die vier haben ein Interview durchgeführt, als wären sie die wahrsten Profis, und ,ATB‘ durchaus mit der ein oder anderen ungewöhnlichen Frage herausgefordert.“ Das Fazit der Veranstalter um Lorenz Schmid und Thomas Sellmeir fällt damit wieder positiv aus: „Vor allem, weil sich die Gäste, Künstler und Helfer nicht vom Wetter entmutigen haben lassen und für ein schönes Geburtstagsfest gesorgt haben“, erklärt Mandl.

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Weltstar Martin Garrix zu Gast in Moosburg! © Laura Schindler 

In etwa einer Woche sollte man einen Teilabschnitt des Aquaparks wieder zum Baden nutzen können. Das gesamte Areal soll laut Mandl auch nach gewisser Bodenaufbereitung nach und nach freigegeben werden: „Das dauert etwas länger. Manche Bereiche wurden stärker beansprucht als andere.“

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Der Aquapark bietet auch bei Regen die perfekte Kulisse für das Festival.  © Laura Schindler

Größer, schneller, besser

Utopia Island feiert fünften Geburtstag – und beschenkt sich mit Martin Garrix selbst

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Seit Montag wurde fleißig aufgebaut am Aquapark für die fünfte Auflage von Utopia Island. Das obligatorische Utopia-Schild ist wieder mit dabei. © Laura Schindler

Ab heute Vormittag herrscht rund ums Gelände des Aquaparks wieder Ausnahmezustand: Das Utopia Island Festival steht in den Startlöchern und feiert bereits seinen fünften Geburtstag in Moosburg. Für die kommenden Tage werden über 13 000 Gäste auf der Insel erwartet. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden ein weiteres Mal verstärkt und es wird viel Neues zur fünften Auflage geben. Die Organisatoren haben sich die Kritikpunkte vom letzten Jahr zu Herzen genommen und versprechen: Es soll diesmal alles noch besser, schöner und reibungsloser ablaufen.

Höhepunkt des diesjährigen Utopia Island Festivals ist mit Abstand wieder des fulminante Line Up. Denn mit dem international gefeierten DJ Martin Garrix als Headliner übertreffen sich die Organisatoren einmal mehr und beschenken sich auch selbst zu ihrem fünften Geburtstag. Außerdem darf man sich auf bekannte Namen wie den deutschen Rapper Marteria, Marshmello, K.I.Z. oder Deorro freuen. Bei den über 80 musikalischen Top-Acts, die erwartet werden, sind auch wieder einige noch etwas unbekanntere DJs aus der Region mit an Bord oder auch solche, die bereits ihr Debüt auf der Insel hinter sich haben. Entdeckungsreise, aber auch ein kleines Wiedersehen also – genau das, was das besondere Flair von Utopia Island von Anfang ausgemacht hat. Mit dabei sind beispielsweise noch Art Department, Brennan Heart, Claptone, Netsky, Tinie Tempah, Adana Twins, Drunken Masters, Future Proof, Granada, Sam Feldt, Jax Jones, Le Shuuk, Monkey Safari, Pretty Pink, Grandtheft oder Route 94.

So schön sah es auf Utopia Island aus
Am Aquapark werden zum Utopia Island Festival am Wochenende wieder über 13.000 Menschen zu elektronischer Musik tanzen und feiern. © Patrick Wolf

Drei Tage lang wird wieder an der traumhaften Location des türkisblauen Aquaparks gefeiert, und diesmal, zum fünften Jubiläum, schon mit großer Vorparty am Donnerstagabend. Um die Anreise für die Gäste angenehmer und vor allem schneller durchführen zu können, haben die Organisatoren den Einlass näher an die Straße gelegt, wie Utopia-Island-Pressesprecher Leonhard Mandl mitteilt. Durch seine bessere Lage soll er nun größer und mit doppelt so viel Sicherheitspersonal ausgestattet sein.

Bargeldloses Bezahlen auf Utopia Island neu

Diese werden auch gebraucht, denn die Sicherheitsvorschriften wurden heuer erneut verschärft. Es wird noch genauer hingeschaut, was Wartezeiten nicht ganz vermeiden lassen wird. Zudem wird das Einlassband in diesem Jahr zum ersten Mal mit einem Chip versehen, der das Ticket scannt – ähnlich wie bei Skipasskontrollen am Lift. „Es kann sich also keiner mehr so leicht durchschleichen“, erklärt Mandl.

Der ins Festivalbändchen integrierte RFID-Chip bringt eine weitere Neuerung zu Utopia Island: das Cashless-System. Bargeld wird damit von der Insel verbannt, was ein schnelleres Bezahlen möglich machen und ebenfalls die Wartezeiten an Verkaufsständen verkürzen soll. Den Chip kann man bereits von zuhause aus bequem per Überweisung aufladen, es wird hierfür aber auch viele Stationen am Festival selbst geben. Den Restbetrag kann man sich nach dem Festival überweisen lassen und muss hier nicht extra noch am letzten Tag anstehen.

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Die Festival-Venue wartet auch bereits auf ihre Gäste! © Laura Schindler 

Ab diesem Jahr können Festivalbesucher sich außerdem eisgekühltes Bier über den Utopia-Ticketshop fast direkt vor die Camping-Haustür liefern lassen. Auch Riesenradfahrten und Hubschrauberrundflüge während des Festivals können bereits von zuhause aus übers Internet gebucht werden. Insgesamt haben die Organisatoren rund um die Klangfeld-Geschäftsführer Lorenz Schmid und Thomas Sellmeir weiter an ihrem Konzept gefeilt und das Utopia-Island-Festival optimiert. So soll beispielsweise die große Mainstage dieses Jahr durch einen äußerlichen, verzierten Rahmen in die besondere, handgemachte Dekoration von Utopia mit eingebunden werden, was im vergangenen Jahr nicht der Fall war und von vielen bemängelt wurde. „Darauf darf man sich auf jeden Fall freuen“, verspricht Leonhard Mandl.

Bessere Wasserversorgung für den Campingplatz

Auch den Kritikpunkt zur Versorgung mit Toiletten und Duschen auf dem Campingplatz haben sich die Veranstalter zu Herzen genommen und diese näher an den See gelegt, weil damit die Leitungswege kürzer sind. „Caravancamping und Campingvillage tauschen damit quasi Plätze“, erklärt Mandl. Zum Duschen müssen Campinggäste nun also die Straßenseite wechseln.

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Neue, kreativ gestaltete Sitzgelegenheiten zum fünften Geburtstag – ein Hoch auf das Dekoteam! © Laura Schindler 

Ein schmerzlich vermisster Bestandteil von Utopia kehrt nach zwei Jahren Pause wieder zurück: die Heart-Stage. Diese wandert nun ins Camping Village und rundet so das Bühnenbild wieder perfekt ab. Auch die Seaside-Stage wandert im Gelände etwas nach links und steht wieder am Wasser, in Richtung Rotes Kreuz.

In diese Richtung wird es auch die einzige Erweiterung des Festivalgeländes geben, wovon man sich im Strandbereich mehr Platz erhofft. An den teuren Wasserpreisen, ein weiterer Kritikpunkt im letzten Jahr, wird sich vermutlich nichts ändern, wie Mandl meint, da die Gastronomie wieder von externen Betreibern gestemmt wird.

Der Vorjahresstand von 12 500 Besuchern auf Utopia Island soll erneut überschritten werden. Momentan rechnen die Veranstalter mit über 13 000 Festivalgästen.

Urlaub plus Musik - die Utopia Island
Über 13.000 Gäste werden zur fünften Auflage von Utopia Island erwartet und für drei Tage wieder ausgelassen am Gelände des Aquapark feiern. © Laura Schindler 

„Ich will Direktkandidat für alle Bürger sein“

Thomas Neudert (41) aus Wolnzach tritt im Bundestagswahlkampf für die FDP an

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Thomas Neudert (41) will für die FDP in den Bundestag einziehen. Foto: Laura Schindler

Thomas Neudert aus Wolnzach tritt bei der Bundestagswahl als Direktkandidat im Wahlkreis Freising-Pfaffenhofen-Schrobenhausen für die FDP an. Der 41-jährige Diplom-Kaufmann beschreibt sich selbst als „unbeschriebenes Blatt“ in der Politik.

Herr Neudert, wie sind Sie zur Politik gekommen?

Thomas Neudert: Ich engagiere mich schon seit meiner Jugend in der Politik. Früher noch bei der Jungen Union und der CSU, seit 2014 für die FDP. Für mich ist ehrenamtliches Engagement ein Kennzeichen Deutschlands, ohne dieses würde vieles in unserem Land nicht funktionieren.

Wie kam es zum Wechsel von der CSU zur FDP nach so langer Zeit?

Neudert: Die Trennung war keineswegs inhaltlich. Nach meinem Umzug in die Hallertau vor rund zehn Jahren habe ich mich dem CSU-Ortsverband Wolnzach angeschlossen. Dieser war jedoch „nicht sehr integrationsfreudig“, um es so auszudrücken. Als ich gemerkt habe, dass es dort nicht weitergeht für mich, bin ich ausgetreten. 2014 habe ich mit der lokalen FDP meine neue politische Heimat gefunden.

Hatten Sie während dieser Zeit bereits politische Ämter inne?

Neudert: Parteiintern ja, beispielsweise die Arbeit des Kassiers. Ansonsten bin ich als Politiker ein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2014 bin ich bereits zur Kommunalwahl angetreten, hatte jedoch einen Platz relativ weit hinten auf der Liste. Ich bin kein klassischer Karrierepolitiker und stehe mitten im Leben.

Welche politischen Themen liegen Ihnen denn besonders am Herzen?

Neudert: Als Reserveoffizier interessieren mich besonders die Außen- und Sicherheitspolitik, die Wirtschafts- sowie die Sozialpolitik. Hierbei liegt mein Fokus auf Europa und der Bundeswehr, der Mittelstandsförderung sowie den drei Säulen der Rentenversicherung.

Und speziell auf den Wahlkreis Freising-Pfaffenhofen bezogen?

Neudert: Grundsätzlich geht es unserem Wahlkreis gut. Jedoch sind die Immobilienpreise sehr in die Höhe geschossen. Ich möchte mich deshalb für günstigeres Wohnen einsetzen. Ziel wäre, dass die Grunderwerbssteuer bis zu einer bestimmten Geldsumme für Erstkäufer eines Eigenheims gesenkt wird, damit diese kreditwürdiger werden. Zudem kann man Baukosten senken, indem man unsinnige Bauvorschriften und Investitionshindernisse wie etwa die Mietpreisbremse aufhebt. Ein weiteres Anliegen wäre für mich eine bessere Verkehrsanbindung für Pendler nach München.

Was ist Ihnen außerdem wichtig?

Neudert: Ich will Bundestagsdirektkandidat für alle Bürger sein und nicht nur bevorzugt Parteiveranstaltungen besuchen. Ich will mich nicht in Berlin oder meinem lokalen Wahlkreisbüro „verschanzen“. Ich will alle Gemeinden des Stimmkreises besuchen und Sprechstunden vor Ort für die Bürger einrichten.

Welche Chancen rechnen Sie sich für die Bundestagswahl aus?

Neudert: Mit Platz 45 bin ich auf der Landesliste der FDP ziemlich weit hinten, hier werde ich es wohl nicht schaffen. Im Personenvergleich rechne ich mir schon Chancen aus.

Was wäre Ihre Wunschkoalition?

Neudert: Zuerst ist es unser Ziel, wieder in den Bundestag einzuziehen. Ich denke, mit der CDU haben wir die größte Überschneidung. Generell gilt es jedoch erst einmal, eine große Koalition zu verhindern, um Stillstand zu vermeiden.

Wie führen Sie Ihren Wahlkampf? Nutzen Sie soziale Netzwerke?

Neudert: In der jetzigen Vorwahlkampfphase organisieren wir Veranstaltungen wie beispielsweise die sehr gut besuchte Podiumsdiskussion zum Thema Windkraft in Nandlstadt. Am Samstag habe ich den Ortsverband der FDP Moosburg-Hallertau bei seinem geplanten Bürgerbegehren für die Prüfung einer Tiefgarage unter dem Plan unterstützt. Ab nächster Woche werden wir die ersten Plakate aufhängen. Mein Ziel ist es, jede Gemeinde im Wahlkreis zu besuchen. Twitter nutze ich nicht, jedoch bin auf Facebook unterwegs und werde hier gegebenenfalls auch Werbung schalten. Allerdings müssen wir auch mit unserem Budget haushalten.

 

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Grafik: Moosburger Zeitung

 

Was sagen Sie zum sogenannten Diesel-Gate?

Neudert: Ich bin mit einem fünf Jahre alten VW Diesel persönlich Betroffener und daher auch gespannt, wie sich das Ganze entwickeln wird. Es ist ganz klar eine Sauerei, wie hier gepfuscht wurde. Zudem muss man abwarten, ob sich die Kartell-Vorwürfe gegen die Automobilindustrie bewahrheiten. Die Politik hat hier gepennt. Bei allen Vorwürfen muss man aber auch vorsichtig sein, denn die Automobilbranche ist eine Schlüsselindustrie für Deutschland und ein großer Arbeitgeber.

Halten Sie die geplante Ausländermaut für sinnvoll?

Neudert: Nein, dieser Plan erscheint mir absolut ineffizient, da die Verwaltungskosten einen Großteil der Einnahmen auffressen

Und was ist Ihre Meinung zur dritten Startbahn?

Neudert: Das ist ein schwieriges Thema. Die FDP ist grundsätzlich dafür, ich wäre – falls notwendig – auch dafür. Als Abgeordneter würde ich für meinen Wahlkreis alles Nötige dafür tun, um für die Betroffenen Ausgleichsmechanismen zu schaffen.

Haben Sie selbst schon einmal überlegt, ein Elektroauto zu fahren?

Neudert: Ja! Letztes Jahr habe ich mich mit dem Thema intensiv beschäftigt. Ich war allerdings irritiert, dass ich kein Leasing-Angebot hierfür fand. Zudem muss meiner Meinung nach die Infrastruktur noch besser ausgebaut werden, es braucht mehr Ladesäulen und auch die Reichweite ist noch zu klein. Für mich stellt sich die Frage: Bewegen wir uns in ein neues Dilemma, wenn alle ihr Auto mit Strom tanken?

Wie stehen Sie zum Thema Türkei, zur Flüchtlingspolitik und auch einer eventuellen Obergrenze?

Neudert: Das mit der Türkei ist eine traurige Sache, das Land entwickelt sich zunehmend zur Diktatur. Ich finde es richtig, das Aufnahmeverfahren zur EU zu stoppen. Eine Obergrenze halte ich für juristisch fragwürdig, dies wurde wohl eher erfunden, um die Menschen zu beruhigen. Wichtig in der Flüchtlingsproblematik ist es, Hilfe vor Ort zu leisten und die Lage dort zu stabilisieren. Es ist Aufgabe der Politik, den Syrienkonflikt zu lösen. Für Deutschland wäre es wichtig, gezielt Menschen im Land zu integrieren, die hier auch wertvolle Arbeit leisten können. Asylbewerber müssen zudem zeitnah und bevor sie verwurzelt sind Bescheid bekommen, ob sie abgeschoben werden oder nicht.

Steuern senken oder Schulden abbauen?

Neudert: Das kann man beides! Die lange Niedrigzinspolitik der EZB hat die öffentlichen Strukturen saniert. Es ist nun an der Zeit, dass der Staat etwas von seiner guten Situation an den Bürger abgibt. Idealer Kandidat wäre hierfür der Solidaritätszuschlag, der ohnehin überfällig ist.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation beim Thema Datenschutz ein? Haben Sie Angst vor Hackern im Wahlkampf?

Neudert: Die FDP verteidigt den Datenschutz extrem, dies wird aber zunehmend schwieriger mit Datenstaubsaugern wie Google und Co. Videoüberwachung ist in Brennpunkten vielleicht sinnvoll, ansonsten sollte man hier vorsichtig sein. Im Angriff gegen Hacker muss die Bundesrepublik aufrüsten, gerade kleinere Unternehmen müssen im Bereich der Digitalisierung noch stärker informiert werden. Der Wahlkampf wird sicher irgendwie manipuliert. Mir bereiten besonders Falschmeldungen in sozialen Netzwerken Sorgen, die gewisse Parteien am rechten Rand fördern.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Laura Schindler

Wertvolles Bodendenkmal unter dem Plan?

Radarmessungen und Bohrkernanalysen weisen vermutlich Standort der „Moosburg“ nach

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Eine Luftaufnahme auf einer Postkarte vom 27. Juli 1932 zeigt den historischen Plan in Moosburg von oben.   © Karl A. Bauer

Wochen und Monate wird bereits über den Plan diskutiert, die Bürger wurden befragt, die Preise für den Wettbewerb zur Umgestaltung sind seit einiger Zeit vergeben. Trotzdem scheint es jetzt erst so richtig loszugehen: Parkplätze ja oder nein, Tiefgarage ja oder nein – zwei Bürgerbegehren sind schon auf dem Weg. Eine Sache aber wurde bei der Debatte bislang oft außen vor gelassen: Was befindet sich eigentlich unter dem Plan?

Was es mit der ehemaligen „Moosburg“, der die Stadt wohl ihren Namen zu verdanken hat, auf sich hat, weiß niemand so recht. Angeblich soll sie dort gestanden haben, wo heute der Plan ist, zwischen Kastulusmünster und Bücherei. Ein Großbrand vernichtete im Jahr 1207 das gräfliche Schloss und große Teile der Kastuluskirche. Über das abgebrannte Schloss, die Moosburg, ist bis heute wenig bekannt. Es gibt keine Dokumente oder Bilder, die den Standort nachweisen – die Brände, die die Dreirosenstadt in den Jahren 1702 und 1865 heimsuchten, haben alles vernichtet.

Ein Beleg dafür, dass die Burg neben dem Kastulusmünster gestanden haben muss, könnte das Buch „Geschichte der Stadt Moosburg“ von Ludwig Weh sein, das Heimatmuseumsleiter Bernhard Kerscher archiviert hat. Darin heißt es über den Brand und das Kastulusmünster: „Da aber mit des Schicksals Mächten kein ewiger Bund zu flechten war, ereignete sich 1207 in der benachbarten Burg der Grafen ein verheerender Brand, der nicht nur deren Gebäude einäscherte, sondern auch das neu geschaffene Gotteshaus stark beschädigte.“

Ludwig Weh, der sich intensiv mit der Historie der Dreirosenstadt auseinandersetzte, schreibt darin weiter: „Um die Wiederholung eines Brandunglücks durch ein Nachbargebäude auszuschließen, überließ Graf Karl II (…) den seit jeher angestammten Platz des Uradelshofes der Kirche. Der Platz der abgebrannten Burg und des Burgstalles wurde eingeebnet, wodurch der Name Plan geprägt wurde. An die Übergabe des Platzes knüpfte Graf Konrad die Bedingung, dass die gesamte Fläche nicht mehr bebaut werden dürfe.“

Nach dem Brandunglück bauten die Grafen ihr neues Schloss an der Stelle des ehemaligen Amtsgerichts, das ein Gebäude von „ansehnlicher Größe“ gewesen sein muss. 1281 erlosch das Grafengeschlecht der Moosburger. Dessen Wappen mit zwei roten und einer weißen Rose ziert jedoch bis heute die Stadt. Schloss Asch, damals noch am Rand außerhalb der Moosburger Siedlung gelegen, hat wohl als einziges Bauwerk in adeligem Besitz seit dem Jahr 1084 überlebt.

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Schloss Asch hat früher noch am Rand außerhalb der Moosburger Siedlung gelegen und wohl als einziges Bauwerk in adeligem Besitz seit dem Jahr 1084 überlebt. © Karl A. Bauer 

Nun kommen die Archäologen ins Spiel: Was ist bislang über die ehemalige Burg auf dem Plan bekannt? Vor rund drei Jahren hat die Stadt auf der Fläche Radarmessungen veranlasst, um herauszufinden, ob es unter dem Plan historisch und archäologisch wertvolle Funde gibt, bevor die Maßnahmen zur Umgestaltung des Plans in Angriff genommen werden.

In einem Schreiben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege von Januar 2015 zur Vorplanung von Referatsleiter Dr. Jochen Haberstroh an Bürgermeisterin Anita Meinelt heißt es: „Das Vorhaben ‚Vorplanung zur Sanierung und Aufwertung des Platzes Auf dem Plan‘ (…) berührt im Zentrum des historischen Moosburg das eingetragene Bodendenkmal ‚Untertägige mittelalterliche und frühneuzeitliche Siedlungsteile des historischen Stadtkerns von Moosburg‘.“ Dieser knappe Listentext trüge der Bedeutung des Denkmals jedoch nur ungenügend Rechnung, wie Haberstroh formulierte. Wie wiederholte Grabungen der letzten Jahre im unmittelbaren Umfeld des St. Kastulusmünsters wie auch im Kircheninneren gezeigt hätten, sei an diesem Ort mit einer außerordentlich dichten und besonders gut erhaltenen Überlieferung im Boden zu rechnen, so Haberstroh. Diese reiche mindestens bis in die Zeit der ersten urkundlichen Erwähnungen Moosburgs ins Jahr 770 zurück.

„Die archäologischen Zeugnisse tragen damit der besonderen topografischen Gunstlage des Ortes am Zusammenfluss von Amper und Isar Rechnung“, heißt es weiter. Für die überregionale und sogar landesweite Bedeutung des Platzes als Bodendenkmal sei vor allem die Lage südlich des Kastulusmünsters entscheidend, wo höchstwahrscheinlich die Klostersiedlung des 8. Jahrhunderts zu erwarten sei. „Nachdem Überprägungen des Platzes (…) aus jüngster Zeit kaum bekannt sind, ist (…) mit außergewöhnlich gut erhaltenen archäologischen Befunden zu rechnen“, schlussfolgert Dr. Jochen Haberstroh in dem Dokument.

Das Ergebnis von Bohrkernanalysen am Plan im Zuge der Aufwertung des Platzes erreichte die Stadtverwaltung im Januar 2016. „Seit langem, wohl seit Jahrhunderten ist der Plan ein Platz, von dem aus städtischer Erinnerung keine wesentliche Bebauung oder Umgestaltung bekannt ist“, schreibt der Moosburger Archäologe Dr. Martin Pietsch, ebenfalls Referatsleiter beim Landesamt für Denkmalpflege, in diesem Dokument. „Über den gesamten Platz sind anthropogen beeinflusste Schichten angetroffen worden“, so Pietsch. Daher müsse mit einer intensiven Bebauung aus mittelalterlicher und vorgeschichtlicher Zeit gerechnet werden. Diese sei stellenweise von spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Planierschichten überdeckt.

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Ein Übersichtsplan zeigt den Stadtplatz „Auf dem Plan“ in Moosburg. © Bayerische Vermessungsverwaltung

Vom Landesamt für Denkmalpflege ging daher folgende Empfehlung aus: „Da unsere Vermutung einer flächigen Bebauung (…) Auf dem Plan bestätigt wurde, rät das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (…) von flächigen und tieferen Bodeneingriffen dringend ab. Solche flächigen und tiefgreifenden Bodeneingriffe wie sie für den Bau einer Tiefgarage nötig werden, würde das gesamte Bodenarchiv des Platzes zerstören. Einer solchen Planung könnte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege nicht zustimmen.“

Sollten Eingriffe von auch nur 80 Zentimetern für die Frosttiefe auf dem gesamten Platz angestrebt werden, könnten bei archäologischen Sicherungsgrabungen leicht Kosten von 300.000 Euro entstehen, wenn archäologische Befunde direkt unter dem Asphalt anstünden, erläutert Pietsch.

Nach Artikel 1 des Denkmalschutzgesetzes müsse stets das Ziel eine Vermeidung von Bodeneingriffen sein, denn jede Ausgrabung zerstöre das archäologische Bodenarchiv unwiederbringlich. Für die Denkmalpflege wiege der Erhalt des Bodendenkmals, wenn dessen Wert für den Laien auch nicht erkennbar sei, höher als der Erkenntnisgewinn durch eine archäologische Ausgrabung.

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Im Rahmen der Umgestaltung des Plans wurde das Starnberger Ingenieurbüro „GEOLOG“ von der Stadt im Vorfeld jeglicher Eingriffe mit archäologischen Erkundungen mittels Georadarmessungen beauftragt. Historische Überlieferungen deuten darauf hin, dass sich die ehemalige Stadtburg und Siedlungsstrukturen im Bereich des Platzes befinden. Das Bild zeigt den Grundriss für einen Tiefenbereich von etwa 0,75 Metern. Die Farbwerte stellen die Stärken der Reflexionsamplituden dar, mittlere (hellblau/gelb) und hohe Reflektivität (orange/rot) entspricht somit vermuteten Fundamentstrukturen im Untergrund. © Stadt Moosburg 

„Auch für den weiteren Weg können wir Testgrabungen (…) nicht empfehlen. Sie müssten, um zu belastbaren Aussagen für den gesamten Platz zu kommen, so groß sein, dass sie für die Stadt ein zeitlich und finanziell unkalkulierbares Risiko darstellen“, so Pietsch.

Einer Tiefgarage unter dem Plan, über die aktuell viel debattiert wird, erteilt die Denkmalpflege damit eine klare Absage. Und auch mit einer ausführlichen Aufarbeitung der Geschichte über die ehemalige Stadtburg dürfte es angesichts der angespannten Haushaltslage Moosburgs in der nächsten Zeit schwierig werden.


KOMMENTAR

Öffnet die Tunnel!

Moosburg sollte seine Stadtgeschichte aufarbeiten

Moosburg eine Tunnelwelt. Und dann auch noch die ehemalige „Moosburg“? Die meisten Moosburger wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass die Stadt dieser wohl ihren Namen zu verdanken hat. Allein der Gedanke an all die unterirdischen Gänge, die möglicherweise unter uns liegen, macht neugierig. Warum weiß man bislang so wenig über diese Tunnelverbindungen und die alte Burg und warum wurde dies nie aufgearbeitet ? Dieser Teil der Stadtgeschichte ist viel zu interessant, als dass man ihn ignoriert, unter sich begräbt.

Andere Städte machen es bereits vor: In Zeitz in Sachsen-Anhalt oder auch in Furth im Wald wurden einige Tunnelgänge bereits für den Tourismus geöffnet, die Geschichte wird dort dokumentiert, man kann ihr nachspüren. Das Echo der Gruppe „Moosburg ganz anders“ zeigt: Die Moosburger sind interessiert an ihrer Herkunft, ihrer Heimat. Sie wollen mehr darüber erfahren.

Ein Tunnelsystem von solch historischem Wert und auch die Offenlegung der Erkenntnisse über die Burg könnte Moosburg für viele Menschen aus dem Umland und Touristen attraktiver machen. Statt eine Marketingaktion nach der anderen aus dem Boden zu stampfen und den Plan verschönern zu wollen, sollte Moosburg sich vielleicht auch mal seiner Geschichte widmen und dieser mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn darüber ist bislang viel zu wenig bekannt.

Moosburg – eine Tunnelwelt ?

Matthias Gabriel erforscht mit „Moosburg ganz anders“ die Untergründe der Dreirosenstadt

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Der Kupferstich von Matthäus Merian zeigt die Stadt Moosburg im Jahr 1644. Alle Zeit überdauert haben die zwei Kirchtürme von Kastulus und Johannes auf dem Plan.

Wie hat Moosburg früher ausgesehen, wer hat dort gelebt? Diesen Fragen geht Matthias Gabriel aus Moosburg in seiner Freizeit nach. Im Gespräch mit der Moosburger Zeitung im Pöschlbräu schweift sein Blick über den historischen Plan. Hier hat alles angefangen. Dort, im Bierkeller der ehemaligen Brauerei, haben Alfred, Matthias und Marko den ersten Tunnel entdeckt. Mit einem meterlangen Endoskop haben sie sich einen Weg durch den Schutt gebahnt und den Anfang eines unterirdischen Gangs ausfindig gemacht. Das alles dokumentiert per Video, der erste Beweis: Da muss etwas sein.

Als „Urban Explorer“ sind Matthias Gabriel, Alfred Bold und Marko Maier seit Dezember 2015 in Moosburg und Umgebung unterwegs. Mit ihren Kameras im Gepäck erforschen sie sogenannte Lost Places, verlassene Orte, Häuser und Ruinen innerhalb und außerhalb der Stadt, die sonst für niemanden zugänglich sind. Es dauerte nicht lange, bis aus dem Hobby mehr wurde als nur Fotografieren. Seit Monaten sind die drei auf der Suche nach Moosburgs Untergründen und Geheimnissen. Die Moosburger kennen sie mittlerweile, viele haben ihre alten Keller bereits für sie geöffnet. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Hobbyfotografen auf ihrer Internetseite „Moosburg ganz anders“ – mit erstaunlichem Interesse aus der Bevölkerung. Nun verbinden sich allmählich die Hinweise von Einwohnern mit den Nachforschungen: In Moosburg muss es ein Tunnelsystem gegeben haben.

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Matthias Gabriel im Tunnel zwischen den Geschäften Bengl und Hudler.

„Als Kind hat mich das alles noch gar nicht so interessiert“, erzählt Matthias Gabriel. Jetzt holt ihn die Geschichte seiner Heimatstadt ein. In jedem alten Haus, Keller oder einer Mauer sieht er etwas, malt sich aus, was früher dort einmal gewesen sein könnte. Die Vergangenheit hat hier an vielen Flecken ihre Spuren zurückgelassen – und trotzdem bleibt vieles bislang ein Rätsel.

Die Geschichte Moosburgs geht zurück bis ins Jahr 770, als die damalige Klostersiedlung „Mosabyrga“ erstmals urkundlich erwähnt wurde. Mit ihrem natürlichen Schutz auf einer Landzunge zwischen Isar und Amper galt Moosburg schon früh als aufstrebende Region. Funde aus der Altstadt wiesen die Anwesenheit von Menschen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit nach, und auch Grabungen im Stadtgebiet haben die frühe Bedeutung der Gegend bestätigt.

Der Geschichte nach brachten die Mönche Albin und Rhenobot um 800 die Reliquien des heiligen Kastulus nach Moosburg. 1021 wurde das Benediktinerkloster aufgelöst und ein Chorherrenstift gegründet. Ein Großbrand vernichtete 1207 das gräfliche Schloss und große Teile der Kastuluskirche, die dennoch 1212 geweiht wurde. 1281 erlosch das Grafengeschlecht der Moosburger. Dessen Wappen mit zwei roten und einer weißen Rose ziert jedoch bis heute die Stadt.

Über das abgebrannte Schloss, die Moosburg, gibt es heute nur Sagen und Gerüchte. Es wird vermutet, dass sie dort gestanden haben muss, wo heute der Plan ist, vor dem Kriegerdenkmal. Dies liege nahe, da das Münster ebenfalls von dem Brand betroffen war. Doch es gibt keinerlei Dokumente oder Bilder, die den Standort nachweisen – die Brände in den Jahren 1702 und 1865 haben alles vernichtet, auch das Archiv. Nachdem die Burg abgebrannt war, wurde der Platz platt gemacht, es sollte nie wieder etwas darauf gebaut werden, erzählt Gabriel.

Das Spätmittelalter war eine Blütezeit für Moosburg: 1329 übernahm man den Landgerichtssitz vom Amt Inkofen, von Mainburg, Wolnzach und sogar Obersüßbach mussten die Menschen damals bis nach Moosburg zum Gericht reisen. 1331 erhielt Moosburg nach der historischen Schlacht von Gammelsdorf schließlich das Stadtrecht.
Mittlerweile haben Gabriel und seine Freunde sich Stück für Stück vorgearbeitet in Moosburg. Viele eingesessene Bürger, deren Familien schon seit Generationen ein und dasselbe Haus in Moosburg bewohnen, haben ihnen ihre Keller gezeigt, ihnen entscheidende Hinweise gegeben. Inzwischen waren die drei in über zehn Kellern, darunter so historisch wertvolle wie der im Staudinger oder im Kaplanshaus. Einige Vorträge haben die drei Hobbyfotografen bereits über ihre Erkenntnisse gehalten, und sogar der BR war schon mit „Moosburg ganz anders“ unterwegs.

Das alles unter großem Interesse der Bevölkerung: Allein die Website http://www.moosburganders.blogspot.de wurde über 35 000 Mal aufgerufen. Die Moosburger wollen mehr wissen über ihre Stadt, ihre Herkunft, ihre Heimat. Und die Indizien verdichten sich: „Wir haben in einer Karte von Moosburg knapp 20 Verbindungen eingezeichnet, bei denen wir vermuten, dass es hier einen Tunnel gibt“, berichtet Gabriel. So soll es Verbindungen unter dem Plan, zwischen den heutigen Geschäften Bengl und Hudler sowie vom Amtsgericht zum Münster gegeben haben. Fast die ganze Altstadt müsse demnach unterirdisch miteinander verbunden sein.

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In der Karte von Moosburg sind alle Tunnelverbindungen eingezeichnet, bei denen Matthias Gabriel und seine Freunde Marko und Alfred davon ausgehen, dass sie existieren.

Nur, warum ist bislang so wenig darüber bekannt? Zum einen sicher, weil viele Dokumente mit den Bränden vernichtet wurden. Zum anderen, vermutet Gabriel, weil viele Stadträte und Moosburger nicht wollen, dass all dies ans Tageslicht gerät. Sobald etwas historisch Wertvolles entdeckt werde, würden Denkmalschutz und Archäologen anrücken, die der Sache nachgehen wollen. Zudem kostet die Aufdeckung eines solchen Tunnelsystems, ähnlich wie es beispielsweise bereits in Furth im Wald gehandhabt wird, eine Menge Geld.

Was Gabriel auch umtreibt, sind die ehemaligen Brauereien in Moosburg. 14 soll es davon einmal gegeben haben. „In München gab es früher von den Brauereien unterirdische Verbindungen zur Isar, um das Eis für die Kühlung zu benutzen“, erzählt Gabriel. Es sei anzunehmen, dass dies auch in Moosburg auf diese Art und Weise praktiziert wurde.

Eine weitere große Tunnelverbindung soll es wohl zwischen Schloss Isareck in Wang und Moosburg gegeben haben. „Aus sicherer Quelle“ weiß Gabriel, dass dort vor einigen Jahren bei Bauarbeiten an der Thalbacher Straße sogar der Anfang eines Tunnels entdeckt worden sei, dies jedoch verheimlicht worden sei, um dem Denkmalschutz zu entkommen. Ein Tunnel, der unter die Amper führt – dies wäre für damalige Verhältnisse ziemlich fortschrittlich gewesen.

Gabriel ist sich sicher: „Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, dass wir den ersten Tunnel öffnen. Eine Zusage von Privatbesitzern haben wir hierfür sogar schon. Dann wird sich zeigen, was dran ist an den Gerüchten. Wenn sich alles als ein Luftschloss entpuppt, haben wir immerhin das Geheimnis gelüftet und die These widerlegt. Aber wenn nicht . . .“

Info
Der nächste Vortrag von „Moosburg ganz anders“ findet am Freitag, 13. Oktober, um 19.30 Uhr in der VHS Moosburg statt. Der Eintritt ist frei.

Hier geht’s nochmal zum Originalartikel: http://www.idowa.de/inhalt.verlorene-untergruende-moosburg-eine-tunnelwelt.0470382a-5443-4916-b001-bc0cb8bc522a.html

http://plus.idowa.de/zeitungstitel/moosburger-zeitung/artikel/2017/06/16/moosburg-eine-tunnelwelt.html

81 Kitze mit Drohne vor dem grausamen Mähtod gerettet

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© Rupprecht Walch

Jägern aus dem Nördlinger Ries ist eine spektakuläre Rettungsaktion gelungen: Mit Hilfe einer Drohne konnten sie in den vergangenen zwei Wochen 81 Rehkitze vor dem sicheren, qualvollen Tod bewahren. Denn die Grasmahd zwischen Ende April und Mitte Juni überlebt kaum ein Tier, das im Feld Schutz sucht.

Bereits im vergangenen Jahr sind die Berufsjäger um Rupprecht Walch aus dem schwäbischen Ries durch eine Vorführung darauf aufmerksam geworden, mittels Drohne und Wärmebildkamera die gefährdeten Rehkitze im Feld aufzuspüren und rechtzeitig vor dem Mähtermin zu retten. Heuer konnten sie den Landwirten das Angebot machen, die Technik auch im eigenen Gebiet zu nutzen und für sie die Rehkitze ausfindig zu machen. Eigentlich sind die Landwirte dafür selbst verantwortlich, sie machen sich nach dem Tierschutzgesetz sogar strafbar, wenn sie den Tod der kleinen Rehe bei der Mahd billigend in Kauf nehmen. In der Praxis ist es für die meisten Landwirte jedoch nahezu unmöglich, all ihre Feldflächen genau abzusuchen. Zu groß ist der Zeitdruck, zu schnell die Maschinen – oft gefahren von Lohnunternehmern.

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© Rupprecht Walch

Jäger unterstützen traditionell die Bauern und stellen kurz vor dem Mähtermin auf den Wiesen Wildscheuchen auf, die dafür sorgen sollen, dass das Muttertier den Nachwuchs in der Nacht vor der Mahd aus den Flächen holt. Eine Methode, die leider nicht immer funktioniert. Hundertausende Jungtiere werden laut Schätzungen Jahr für Jahr Opfer der Mähwerke. Nicht nur junge Rehe – auch Hasen, Rebhühner und seltene Bodenbrüter. „Wenn ein Rehkitz erfasst wird, werden die Beine meist weggeschnitten, sodass es nicht mehr weglaufen kann und stirbt“, erklärt Berufsjäger Rupprecht Walch aus Oettingen.

Dies kann durch den Einsatz moderner Technik verhindert werden. Mit einer Flugdrohne und Wärmebildkamera können die Rehkitze im Feld rasch gefunden und so noch vor der Mahd mit Kartons aus den Wiesen herausgetragen werden. Sobald dies geschehen ist, benachrichtigen die Jäger den zuständigen Landwirt, damit dieser den betreffenden Feldabschnitt mähen kann. In der Zwischenzeit werden die Rehkitze in einem ungefährdeten Nachbargrundstück ausgesetzt. Die Mutter findet sie rasch, wenn sie ihre Rufe hört.

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© Rupprecht Walch

Um die Rehkitze zu retten, mussten die Jäger in den vergangenen Wochen schon früh aufstehen. Gegen vier Uhr morgens muss die Drohne zum Suchflug starten. Das Zeitfenster, in dem die Wärmebildkamera den „Jägerpiloten“ Dieter Hampl und Berufsjäger Rupprecht Walch zuverlässig die Kitze anzeigt, ist kurz. Schon gegen acht Uhr ist die Bodentemperatur so hoch, dass die Erkennung des kleinen Wildkörpers unmöglich ist. Der Einsatz der beiden Jäger und ihrer Helfer hat sich gelohnt: In den betreffenden Gebieten konnten bereits 81 Rehkitze in Sicherheit gebracht werden. „Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft auch in anderen Regionen diese Technik eingesetzt werden würde. So kann den Tieren viel Leid erspart werden“, sagt Walch.

Die Möglichkeit, die über 12.000 Euro teure Drohne für die Rettung der Tiere zu nutzen, haben die Landwirte und die Jäger einem Jagdhundeverein zu verdanken. Der Verein für Deutsche Wachtelhunde (Landesgruppe Baden-Württemberg Nord) nutzt die Jagdgebiete rund um Oettingen seit vielen Jahren, um dort seine Hundeprüfungen durchzuführen. Indem er seine Drohne zur Verfügung stellt, revanchiert sich der Verein nun bei den Rieser Jagdpächtern für ihre Unterstützung und leistet so nicht nur durch den Einsatz guter Jagdhunde, sondern auch durch die moderne Technik einen wertvollen Beitrag zum Tierschutz.

In Facebook hat die Aktion der beiden Jäger viel Zuspruch erfahren: Ein Beitrag mit Bildern der Kitzrettung auf dem Profil von Rupprecht Walch am Montag wurde bereits über 8.000 Mal mit einem Like versehen und über 6.000 Mal geteilt.

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Mit einer Drohne und einer Wärmebildkamera gelang es den Jägern, die Rehkitze noch rechtzeitig vor der Grasmahd aus dem Feld zu holen. © Rupprecht Walch

Hier geht’s zum Originalartikel: http://www.idowa.de/inhalt.noerdlinger-ries-81-kitze-vor-dem-grausamen-maehtod-gerettet.f0df654f-3f36-4cf1-bb22-ee97462892ce.html

Hebammen befürchten Aus des Belegsystems

Krankenkassen wollen Bezahlung ändern – Verbände und Betroffene warnen vor Kollaps der Geburtshilfe

Karin Mittermeier-Ruppert ist freiberufliche Beleghebamme am Klinikum St. Elisabeth in Straubing. Seit 7 Uhr morgens ist sie heute im Dienst. Trotzdem wirkt sie gegen Mittag noch aufgeweckt und frisch. Sie hält die Stellung auf der Station, begrüßt schwangere Frauen zu ihrem Termin, bespricht sich mit Kolleginnen, geht Patientenakten durch und führt nebenbei noch Telefonate. All das geschieht irgendwie parallel, in einer routinierten und bestimmten Art. Und trotzdem freundlich und angenehm.

Karin Mittermeier-Ruppert misst bei einer Hochschwangeren die Herztöne des Kindes.
Karin Mittermeier-Ruppert misst bei einer Hochschwangeren die Herztöne des Kindes.            © Laura Schindler

Was beim ersten Hinsehen nicht auffällt: Mittermeier-Ruppert sorgt sich um die Zukunft ihres Berufs. Die Pläne des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die Vergütung von Beleghebammen grundlegend zu ändern, bereiten ihr Kopfschmerzen. Demnach wollen die Krankenkassen durchsetzen, dass Beleghebammen im Schichtdienst nur noch zwei Frauen gleichzeitig betreuen dürfen. Alle darüber hinaus erbrachten Leistungen würden den Hebammen dann nicht mehr von den Krankenkassen erstattet. „Im Idealfall kümmert sich jede Hebamme nur um eine Gebärende, doch jeder weiß, dass sich Geburtstermine nicht planen lassen und Kinder manchmal gleichzeitig auf die Welt kommen wollen. Diese Beschränkung ist also völlig unrealistisch“, so Mittermeier-Ruppert.

Nur noch zwei Frauen gleichzeitig betreuen

Eine kurze telefonische Beratung, eine Hilfeleistung bei Beschwerden sowie jede andere Tätigkeit bei weiteren Schwangeren wären mit den gesetzlichen Krankenkassen im selben Zeitraum nicht mehr abrechenbar. „Die Krankenkassen würden die Vergütung der erbrachten Leistung entweder auf Kosten der Hebammen, der Kliniken oder der Versicherten (als Selbstzahlerin) einsparen“, schreibt der Deutsche Hebammenverband (DHV) in seinem Argumentarium gegen die geplanten Forderungen.

„Allein heute morgen habe ich innerhalb von drei Stunden zehn Frauen mit unterschiedlichen Anliegen behandelt. Im Falle einer 1:2-Betreuung hätte ich acht von ihnen wieder heimschicken und abweisen müssen, weil ich nicht mehr als zwei Schwangere gleichzeitig behandeln dürfte“, sagt Karin Mittermeier-Ruppert. Für ein telefonisches Beratungsgespräch könne sie sieben Euro abrechnen, bei etwa 15 Anrufen pro Stunde sei dies viel Geld, das ihr verloren ginge. Und Geld, das die Hebammen dringend brauchen. „Das lange Zeit an sich bewährte System ist in den vergangenen Jahren für Beleghebammen zunehmend unwirtschaftlich geworden. Dies liegt an der geringen Grundvergütung und den überproportional stark angestiegenen beruflichen Kosten“, so der DHV. Die Hebammenverbände forderten deshalb eine Erhöhung der Vergütung in den Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen. Da man sich dort aber nicht einigen konnte, muss nun voraussichtlich im Mai eine anberufene Schiedsstelle über die Forderungen beider Seiten entscheiden.

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Viele Hebammen befürchten, dass sich die Versorgung schwangerer Frauen durch die neuen Forderungen des GKV-Spitzenverbands verschlechtern wird.

Der GKV-Spitzenverband kann sich die Aufregung der Hebammen nicht erklären. Im Gegenteil: „Wir wollen die Arbeit der Beleghebammen künftig sogar besser bezahlen“, betont die stellvertretende Pressesprecherin Ann Marini. Für jene freiberuflichen Hebammen, die Geburten in Kliniken betreuen, will er die Vergütung um bis zu 30 Prozent erhöhen. „Wie der Deutsche Hebammenverband dieses Angebot als massiven finanziellen Einschnitt auslegen kann, ist nicht nachzuvollziehen“, so Marini.

Spitzenverband will Qualität verbessern

Bisher erhalte eine Beleghebamme für die Beleggeburt (bis zu acht Stunden) im Schichtdienst tagsüber 271,94 Euro. Künftig soll sie für eine Geburt, die bis zu sechs Stunden dauere, 331 Euro bekommen. Sofern ein Schichtwechsel notwendig werde, könne jede Hebamme zukünftig die Zeit in Rechnung stellen, in der sie die Frau während der Geburt betreut hat. Mit seiner Forderung der 1:2-Regelung wolle der Spitzenverband die Qualität steigern und erreichen, dass die Schwangere und das Neugeborene besser betreut werden. Marini: „Bislang hatten dies auch die Hebammenverbände selbst gefordert. Jetzt scheinen sie davon abzurücken und verweisen sogar auf eine vermeintliche Gefahr für die Versorgung.“ Die Pressesprecherin argumentierte, dass die 1:2-Betreuung nur auf die Akutphase (eine Stunde vor und drei Stunden nach der Geburt) zutreffe. Angesprochen auf einen möglichen Notfall, in dem mehr als zwei Schwangere behandelt werden müssten, verwies Marini auf das zuständige Krankenhaus, das hier einspringen müsse.

Karin Mittermeier-Ruppert ist erschöpft und bald am Ende ihrer Kräfte: „Ich bin müde, es macht mich mürbe. Ständig werden uns Hebammen weitere Steine in den Weg gelegt, wir wollen doch einfach nur unsere Arbeit machen!“ In den letzten Tagen und Nächten hat die Mutter von zwei Kindern viele Briefe geschrieben, unter anderem an den Landtag und an einen Bundestagsabgeordneten, um möglichst viele Menschen zu mobilisieren und auf das Thema aufmerksam zu machen. Freiberufliche Beleghebammen hätten es angesichts der immer weiter steigenden Prämien für die Haftpflichtversicherung ohnehin schon schwer genug. Mittermeier-Ruppert versteht, wenn einige von ihnen bereits resigniert haben und ihren Beruf niederlegen möchten. „Es wird Zeit, dass endlich Ruhe einkehrt.“

Auch eine Beleghebamme aus Landshut, die nicht namentlich genannt werden möchte, wäre von den Forderungen betroffen. „Wenn die Pläne so umgesetzt werden, werde ich definitiv meinen Beruf niederlegen“, sagt sie. „Setzt der GKV-Spitzenverband seine Forderungen durch, müssen weitere geburtshilfliche Abteilungen vermutlich schließen. Noch mehr Hebammen werden ihren Beruf niederlegen. Die Leidtragenden sind Familien, denn sie werden alleine gelassen. Bayernweit würde das gravierende Einschnitte bei der Geburtshilfe bedeuten“, schreibt sie in einem Brief an die Presse.

Hebammen warnen vor Kollaps der Geburtshilfe

„Es macht den Anschein, dass der Spitzenverband eine schlechtere, sparsamere, teurere und unflexiblere Versorgung für Frauen durchsetzen will. Das bewährte System der freiberuflichen Beleghebammen würde durch diese Regelungen abgeschafft“, schreiben Sarah Pfundheller und Simone Adlhoch von der Klinik St. Hedwig in Regensburg im Namen der Oberpfälzer und niederbayerischen Beleghebammen. Alternativen wie eine Festanstellung der Hebammen seien für viele kleinere Kliniken aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht realistisch. Die Hebammen befürchten, dass diese Kreißsäle geschlossen werden: „Die Folge wäre eine weitere Zentralisierung der Geburtshilfe, immens lange Anfahrtszeiten und eine damit verbundene schlechtere Versorgung der Frauen und Babys.“

Am Dienstag veranstaltet der Bayerische Hebammen-Landesverband ein Treffen für seine Mitglieder in München, um über die aktuelle Situation zu informieren. Am Samstag, 8. April, informieren Hebammen aus verschiedenen Kliniken von 10 bis 18 Uhr an einem Stand auf dem Neupfarrplatz in Regensburg die Bevölkerung.


 Kommentar

Vermessene Forderung

Kaum ein Kind kommt ohne Hebamme auf die Welt. Die Hebamme ist der erste Mensch, der das Neugeborene in seinen Händen hält, quasi Bindeglied zwischen dem Baby und seinen Eltern. In der Zeit vor und nach der Schwangerschaft ist die Hebamme ein wichtiger Begleiter der Frau, beantwortet Fragen, ist zur Stelle bei Beschwerden, klärt auf bei Sorgen und schenkt Vertrauen. Es ist nicht auszudenken, was wir ohne Hebammen machen würden.

Mit den neuen Forderungen der Krankenkassen wird den Beleghebammen nur ein weiterer Stein in den Weg gelegt, was – falls die Pläne umgesetzt werden – dafür sorgen wird, dass noch mehr Hebammen ihren Beruf niederlegen. Eine 1:2-Betreuung mit der jetzigen Kapazität an Hebammen ist nicht nur unrealistisch, sondern auch impraktikabel im Alltag.

Geburten und Notfälle sind nicht planbar, deshalb ist es vermessen zu fordern, dass sich eine Hebamme nur um zwei Schwangere gleichzeitig kümmern darf. Die dritte, vierte oder fünfte bezahlt dann entweder aus eigener Tasche, wartet – falls vorhanden – lange auf eine Rufbereitschaft oder muss gleich in ein anderes, weit entferntes Krankenhaus fahren. Leidtragender ist am Ende nicht nur die Hebamme, die weniger verdient, sondern auch die schwangere Frau. Um eine qualitativ bessere Betreuung der Schwangeren zu garantieren, müssten zuallererst bessere Rahmenbedingungen für die Beleghebammen geschaffen werden.