Mit Moretti und Koch groß geworden: Die Schauspielerin Michelle von Treuberg im Interview

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Quelle: Kim-Lena Sahin

„Sei nicht wie Anika, sei wie Pippi – frech, wild und wunderbar“ – kennt ihr den Spruch? Ich mag Pippi und Astrid Lindgren sehr. Doch meine Lieblinge unter den Kinderfilmen meiner Generation sind die Wilden Hühner, basierend auf den Büchern von Cornelia Funke. Und dort war Sprotte die Pippi. Ich wollte immer sein wie Sprotte: Eine Bande anführen, Jungs hassen und dabei gut aussehen. Michelle von Treuberg hat all das erlebt: Sie hat Sprotte über Jahre hinweg verkörpert und ihr in den Filmen ein Gesicht geliehen. Noch heute wird sie den „Sprotte-Stempel“ nicht ganz los. Im Interview sprechen wir darüber, wie sie durch Zufall zur Schauspielerei kam, wie sie die Quarantänezeit bis jetzt gemeistert hat und wie es nach ihrem Studium in Passau nun für sie weiter gehen wird.

Hi Michelle, stell dich doch mal kurz vor…

Michelle von Treuberg: Hi, ich bin Michelle, 27 Jahre alt und komme aus der Nähe von München. Einige kennen mich vielleicht noch von früher als Sprotte von den Wilde Hühner Filmen.

Wie meisterst du die Quarantäne?

Michelle: Mir geht es je nach Tagesform ganz unterschiedlich. Ich versuche viel in Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden zu bleiben, aktiv zu bleiben und habe mir Dinge vorgenommen, die ich erledigen möchte. Aber es ist definitiv für alle eine ungewöhnliche, herausfordernde Zeit.

Kulturtipps und Lifehacks während Corona?

Michelle: Es gibt jetzt ein tolles Angebot vom Resi in München (Residenztheater München) – dort kann man einen Termin buchen und erhält dann einen Anruf von einem Ensemblemitglied, und es wird einem etwas vorgetragen. Cooles Format, oder? Das zweite ist ein Podcast der Deutschen Filmakademie, der heißt Close up. Das ist für alle interessant, die mehr Insights über das Filmgeschäft aus verschiedenen Perspektiven erhalten wollen…

Was hat dich im Leben am meisten geprägt?

Michelle: Ich glaube, das war mein erster Drehtag überhaupt – neben Sebastian Koch und Tobias Moretti, als ich elf Jahre alt war. Da war ich natürlich total aufgeregt. Eine Casting Direktorin, Rita Serra-Roll, hatte mich in meinem Reitstall angesprochen ob ich nicht Lust hätte, mal zu dem Casting für den Film „Speer und Er“ zukommen. Ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht, bin hingegangen und habe überraschenderweise die Rolle tatsächlich bekommen. Über Rita bin ich dann auch zu den Wilden Hühnern gekommen und erst nachträglich in den Castingprozess eingestiegen. Es folgten einige Runden in verschiedenen Konstellationen bis wir alle final besetzt waren- es wurde zum Beispiel auch mit mir und Lucie Hollmann zwischen den Rollen Frida und Sprotte getauscht. Zusammengefasst würde ich sagen, dass sich meine Schauspielkarriere durch viel Glück, Zufall und vielleicht auch Schicksal ergeben hat.

… Und Talent! Dein höchstes Hoch, dein tiefstes Tief?

Michelle: Das ist schwer zu beantworten, ohne sehr persönlich zu werden. Ich denke mit das höchste Hoch waren schon die Erlebnisse bei den Dreharbeiten zu den Wilden Hühner Filmen. Drei Monate über die Sommerferien von 8 bis 20 Uhr durcharbeiten, nach der Arbeit noch den Text für den nächsten Tag lernen und dann wieder zurück in die Schule. Dazu die plötzliche Bekanntheit in der Schule und auf der Straße- damit hatten wir alle glaube ich nicht gerechnet. Viele schreiben mir ja heute noch zu den Filmen, es ist für mich schön zu sehen, dass doch einige einen Teil ihrer Kindheit oder Jugend damit verbinden. Das tiefste Tief war für mich der Verlust meiner Mama, da war ich gerade erst 14 Jahre alt.

Warum Passau, warum Studium?

Michelle: Nach dem Abitur habe ich mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt, ich habe mit einer Freundin eine Weltreise gemacht. Das konnte ich mir glücklicherweise durch die Arbeit am Filmset leisten und ein bisschen Zeit nutzen, bevor ich mich für das Studium entschieden habe. Mein großer Bruder hat mich dann dazu inspiriert nach Passau zu gehen – er hatte dort auch studiert und ich habe ihn oft besucht. Letztendlich habe ich mich für den Studiengang „European Studies“ entschieden wegen der Internationalität. Ich spreche gerne verschiedene Sprachen und bin auch zweisprachig aufgewachsen (mein Papa ist Engländer).

Wie geht es jetzt weiter mit der Schauspielerin in dir?

Michelle: Nach meinem Bachelor 2015 habe ich erst einmal begonnen im HR-Bereich zu arbeiten, auch um mir ein sicheres zweites Standbein aufzubauen. In all der Zeit habe ich aber schon gemerkt, dass mir die Schauspielerei sehr fehlt und beschlossen, dass ich neben einem klassischen Bürojob wieder spielen möchte. Ich bin der Typ Mensch, der lieber auf Nummer sicher geht. Und das wurde mir auch schon bei meinem ersten Film ans Herz gelegt.

Deine persönlichen Wünsche für die Welt?

Michelle: Mein langfristiger Wunsch ist es, nur noch als Schauspielerin zu arbeiten. Ich bin aber ganz realistisch und wünsche mir für Erste einfach, dass ich wieder mehr Projekte machen kann. Gerne würde ich noch einmal historisch drehen, ein paar Jahrhunderte zurück in der Geschichte. Ich liebe es, durch ein Filmprojekt über das Zeitgeschehen zu lernen oder wenn mich ein Film zum Nachrecherchieren anregt. Für mein persönliches Umfeld wünsche ich mir, dass es besonders meiner Familie und meinen Freunden gut geht, das ist für mich sehr wichtig.

Jetzt ist alles erlaubt: Was wolltest du schon immer mal loswerden, doch niemand hörte zu?

Michelle: So böse das auch klingen mag. Wenn ich hungrig bin, sollte man mir lieber aus dem Weg gehen. (lacht)

Gibt es die wilden Hühner im echten Leben noch?

Michelle: Ja, klar, die gibt es noch! Mit Lucie Hollmann (Frida) bin ich nach wie vor sehr gut befreundet, auch die anderen habe ich immer mal wieder gesehen in den letzten Jahren. Wir wollten auch schon ewig ein Klassentreffen machen, bei dem sich alle wiedersehen. Die meisten sind der Bühne ja auch treu geblieben wie Jeremy Mockridge, Zsà Zsà Inci Bürkle, Sonja Gerhardt oder Vincent Redetzki.

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Quelle: Kim-Lena Sahin

Marleen Lohse im Interview: „Sitzt du auf öffentlichen Toiletten?“

Die Schauspielerin Marleen Lohse im Gespräch über ihren neuen Film „Cleo“, über ihre Verbindung zu Berlin, verschiedene Rollen und Wünsche.

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Quelle: Johannes Louis

Man kennt sie als Jule Christiansen aus „Nord bei Nordwest“ und mehreren Tatorten und Kinofilmen – früher war sie jedem Kind als Hexe aus „Die Kinder vom Alstertal“ bekannt. Mit ihrem neuen Kinofilm „Cleo“ von Erik Schmitt taucht Marleen Lohse zusammen mit Jeremy Mockridge in eine ganz neue Welt ein und startet eine abenteuerliche Schatzsuche durch Berlin. Der Film „Cleo“ ist bereits seit dem 25. Juli in den deutschen Kinos. Wir sprachen mit der Schauspielerin über ihren neuen Film, ihre Vergangenheit und ihre Verbindung zu Berlin.

Im neuen Film spielst du Cleo, die die Seele Berlins spüren kann. Kannst du drei Adjektive nennen, die die Stadt und somit Cleo am besten beschreiben?

Marleen: Wir bedienen uns im Film der These des Genius Loci, die besagt, dass jeder Ort eine Seele hat. Cleo ist eng mit der Seele Berlins verbunden und ist stark von ihr geprägt – auch durch traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit. Aber Berlin ist natürlich noch viel mehr. Wenn ich Berlin in drei Adjektiven beschreiben sollte, dann wären das bunt, frei und tief. Und genau das zu sehen, muss auch Cleo auf ihrer Schatzsuche wieder erlernen.

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Quelle: Johannes Louis

Gibt es Parallelen zwischen Cleo und dir?

Sicherlich. Cleo steht in ewigem Konflikt mit ihren Ängsten, die sie lernen muss zu überwinden. Allerdings geschieht dies nicht, wie viele Filme ja gerne suggerieren, in einem großen Showdown. In meinem Beruf kenne ich dieses Gefühl sehr gut. Als Schauspielerin muss man immer wieder aufs Neue Lampenfieber überwinden und an seine Grenzen gehen. Es war mir auch sehr wichtig zu zeigen, dass Cleo im Endeffekt von sich aus ihre Mauern einreißt und ihren eigenen Weg beschreitet, wir somit keine klassische Liebesgeschichte präsentieren, sondern eine starke und autonome Frauenfigur.

Quelle: Johannes Louis

Die Stadt Berlin spielt in „Cleo“ wie gesagt eine sehr große Rolle. Was für eine Verbindung hast du persönlich zu Berlin?

Ich wohne mittlerweile seit 13 Jahren dort und es ist zu meiner Wahlheimat geworden. Ich bin fasziniert von dieser Stadt und sie hat eine ganz eigene Form der Poesie. Und trotz der Vergangenheit und all den Wunden, die die Seele Berlins erleiden musste, erlebe ich diese Stadt so bunt und frei wie kaum eine andere. Ich mag auch das Unfertige an Berlin. Hier gibt es noch Chancen stattzufinden und Dinge auszuprobieren.

Du bist auf dem Land am Stadtrand von Hamburg aufgewachsen, kannst du dich trotzdem in den Großstadtkontext hineinversetzen?

Das tue ich ja schon eine ganze Weile. Manchmal ist Berlin laut und anstrengend, aber es bietet auch ein kreatives Pflaster, welches ich für meine Arbeit als Schauspielerin und Autorin brauche. Außerdem wohnen die meisten meiner Freunde hier. Ich fühle mich gerade sehr wohl.

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Quelle: Johannes Louis

Du wurdest durch die Serie „Die Kinder vom Alstertal“ berühmt, auch diese spielt auf dem Land. Wie hat dich diese Zeit geprägt und erinnerst du dich gerne daran zurück?

Es ist nun schon 20 Jahre her. Ich selbst denke nicht so oft daran zurück. Ich werde allerdings immer mal wieder als „Hexe“ erkannt. Für mich war es eine Zeit des Ausprobierens und Rumtollens. Für die Schauspielerei und das damit verbundene Studium habe ich mich erst viel später entschieden. Aber ohne diese Serie hätte ich vielleicht eine andere Richtung eingeschlagen. Wer weiß!

In der Serie hast du „Hexe“ gespielt, ist sie denn mittlerweile erwachsen geworden?

Die ist jetzt Cleo, aus Hexe wurde Cleo.

Quelle: Johannes Louis

In deinem Beruf nimmst du ständig neue Rollen an, einmal Hexe, dann Cleo: Was war bisher deine Lieblingsrolle, die du gespielt hast?

Das ist schwierig zu sagen, ich versuche natürlich in jeder Rolle irgendetwas zu finden, das mich reizt. Es würde sich also fast wie Betrug anfühlen zu sagen ich hätte eine absolute Lieblingsrolle. Aber es war zum Beispiel eine große Ehre für mich Elizabeth I. zu spielen und zu „Cleo“ habe ich auch eine besondere Verbindung, da ich am Drehbuch mitgeschrieben habe. Ich war also von Anfang an dabei und die Arbeit an dem Film hat beinahe fünf Jahre meines Lebens in Anspruch genommen.

Hast du manchmal das Gefühl, dass Menschen in dir immer noch Hexe sehen oder dass eine deiner anderen Rollen an dir haften blieb – auch im Privaten?

Im Privaten nicht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Menschen, die mich aus der Kinderserie kennen, sich an ihre eigene Zeit als Kind erinnert fühlen und das ist doch etwas sehr Schönes.

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Quelle: Johannes Louis

Gibt es denn eine Rolle mit der du ungern in Verbindung gebracht werden möchtest?

Ich stehe hinter den Projekten, die ich gemacht habe.

Du spielst verschiedene Charaktere, welchen würdest du denn in Zukunft gerne noch spielen, was steht hier auf deiner Wunschliste?

Ich würde gerne mal eine Musikerin spielen. Für „CLEO“ habe ich zwei Lieder eingesungen und ich arbeite gerade an einem eigenen Drehbuch. Es geht dabei um Erinnerungen und die Manipulation vergangener Erlebnisse.

Apropos Wunschliste: Was würdest du dir für die Zukunft generell wünschen? Nur für dich und ganz allgemein für alle? 

Für mich und mein Umfeld wünsche ich mir Gesundheit, Mut und Neugierde. Ganz allgemein habe ich sehr viele Wünsche. Für den Anfang vielleicht erstmal ein bisschen mehr Bewusstsein für die Umwelt im Denken und Handeln.

Hier geht’s zum Original-Interview bei Zeitjung:

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Quelle: Johannes Louis

„Die kleinen Wunder des Alltags finden“

Man kennt ihn aus der Filmreihe “Die Wilde Hühner“ und der Lindenstraße. Jeremy Mockridge spielte immer den netten, charmanten Jungen von nebenan. Mit seinem neuen Film „Cleo“ mit Marleen Lohse an seiner Seite taucht er in eine ganz neue Welt ein, auf Schatzsuche in Berlin. Ich sprach mit dem Schauspieler über seinen neuen Film, darüber, wie es ist, in so einer berühmten Familie wie den Mockridges aufzuwachsen und was er sich für die Zukunft wünscht. Der Film „Cleo“ ist seit dem 25. Juli in den deutschen Kinos.

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Quelle: Johannes Louis

Um was geht es in deinem neuen Film „Cleo“?

Jeremy: Es geht um die Hauptfigur Cleo, die sich vor ihrer Welt verschließt. Sie hat früh ihre Eltern verloren und erfährt jetzt von einer magischen Uhr, die die Zeit zurückdrehen und somit Dinge ungeschehen machen kann. Dann trifft sie auf Paul, der auf ebay Kleinanzeigen eine Schatzkarte gekauft hat, mithilfe der man die Uhr finden könnte. Aber auch die Stadt Berlin mit ihrer einzigartigen Geschichte spielt eine große Rolle. Wir haben uns gefragt: Was würde uns die Stadt erzählen, wenn sie sprechen könnte?

Stimmt es, dass es im Film Parallelen zu der fabelhaften Welt der Amelie gibt?

Jeremy: Ja, ich glaube, damit ist die Atmosphäre des Films gemeint, die Cleo hat. Es ist ein sehr sinnlicher Film. Die fabelhafte Welt der Amelie ist natürlich ein sehr toller, besonderer Film, ein Klassiker. Da wäre es anmaßend, einen Vergleich herzustellen. Bei Cleo kommt aber diese Schatzsuche hinzu. Man könnte sagen Amelie trifft auf Indiana Jones.

Wie waren denn bisher die Reaktionen der Zuschauer auf der Kinotour?

Jeremy: Die Menschen waren begeistert und berührt, wir hören auch ganz oft, dass es endlich mal „etwas anderes“ sei, anders als alle anderen Berlin Filme beispielsweise. Visueller und poetischer, Cleo zeigt Berlin nicht als Partystadt, sondern als magische Stadt.

Wie hast du mit deiner Partnerin Marleen Lohse im Film harmoniert?

Jeremy: Wir haben sehr gut harmoniert, da wir eine ähnliche Biografie haben. Wir haben beide schon früh als Kinder mit dem Schauspielern angefangen, ich bei den Wilden Hühnern und sie bei den Kindern vom Alstertal, und waren dann beide am Theater tätig. Das hat dann sozusagen gut „geklickt“.

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Quelle: Johannes Louis

Spielst du lieber im Theater oder im Film?

Jeremy: Das kommt ganz auf das Theaterstück oder den Film an. Ich muss zugeben, ich gucke mehr Theater als Filme. Ich liebe es, mit dem Publikum zu interagieren und die Reaktionen zu sehen. Im Theater geht es um den Moment, den man auf der Bühne mit den Zuschauern erlebt. Das Erlebnis des Spielens leidet beim Film oft unter den vielen technischen Begebenheiten, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Außer bei „Cleo“. Da lief immer die Kamera. Wir haben versucht so viel wie möglich „drin“ zu bleiben und die Kamera am Laufen zu halten. Da kam ein ganz anderes Gefühl auf, als sonst beim Film, wo man bei jeder Umbaupause warten muss.

Wie bist du an die Rolle gekommen?

Jeremy: Ich hatte mich eigentlich auf eine kleine Rolle beworben und als ich das Drehbuch gelesen habe, habe ich Sympathie für die Rolle des Paul entwickelt. Auf dem Nachhauseweg fragte ich den Regisseur Erik Schmitt dann, wer die Rolle spielt und er sagte daraufhin: „Eigentlich du in zehn Jahren!“ Ich dachte, damit sei das Thema gegessen, doch zwei Tage später rief er mich an und sagte, ich könne doch einfach mal zum Casting kommen und für Paul vorsprechen, vielleicht passt es ja.

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Quelle: Johannes Louis

Du bist in einer sehr offenen, berühmten Familie aufgewachsen. Inwiefern hat dich das in deiner Entwicklung und schauspielerischen Laufbahn geprägt?

Jeremy:  Das hat mich sehr geprägt, weil Theater und Film mein tägliches Brot war, es wurde am Tisch darüber gesprochen und ich bin quasi wie meine Brüder damit aufgewachsen, wir haben es konsumiert. Unsere Eltern haben das sehr stark kultiviert. Dadurch konnte ich das Schauspielern auch früh ausüben, bekam etwa Statistenrollen am Theater. Bei den Wilden Hühnern war das eher noch Spaß, die Schauspielschule hat mir dann das Handwerk gelehrt. Meine Eltern stehen als Comedians auf der Bühne. Diese Verbindung zu Comedy hat auf jeden Fall meinen künstlerischen Kompass geprägt. So war es ja auch bei meinem Bruder Luke zum Beispiel.

Dein Bruder Luke ist als Comedian sehr erfolgreich. Wie ist es, plötzlich so einen berühmten Bruder zu haben? Fühlst du dich manchmal übertrumpft oder siehst du es ganz locker?

Jeremy: Ja, er ist sehr berühmt, aber ich sehe das nicht als Wettbewerb. Ich bin eher glücklich für ihn. Das ist schon unglaublich, dass da 14.000 oder mehr Leute extra anreisen, um ihn zu sehen, nur wegen meinem Bruder. Ich fühle mich aber nicht übertrumpft, es beeindruckt mich eher. Wir haben ja auch ganz verschiedene Berufe, ich bin Schauspieler und er Comedian. Das Bild, wo ich sein will, sieht da ganz anders aus.

In „Die Mockridges“ spielt ihr euch als Familie selbst. Wie war das für dich?

Jeremy: Ja, das war komisch, es ist ja eine Art Fake Documentary, da die Autoren von WDR überlegt haben, wie diese Familie ist, und das Drehbuch geschrieben haben, ohne uns zu kennen. Deshalb herrscht hier etwas Distanz zum wahren Ich, es ist quasi ein amplifiziertes „Jeremy“ Alter-Ego, um das es geht. Es ist komisch, wenn fremde Menschen eine Geschichte über deine Familie schreiben. Da muss man einen Weg finden – was macht dieses Jeremy Alter-Ego unterhaltsam und wie bleibt trotzdem eine gewisse Glaubwürdigkeit.

Dein Vater kommt aus Kanada, deine Mutter aus Italien, doch beide leben nun hier und sprechen perfekt deutsch. Wie kam es dazu?

Jeremy: Das stimmt. Meine Mutter ging in Rom auf eine deutsche Schule und kam dann nach Bonn, mein Vater kam durch eine Freundin aus Kanada nach Bonn, um dort Theater zu spielen und dort haben sie sich dann kennengelernt und sechs Söhne gemacht. (lacht)

Du wurdest durch die Filme der Wilden Hühner berühmt. Wie hat dich diese Zeit geprägt und erinnerst du dich gerne daran zurück? Hast du noch Kontakt zu den Kollegen von damals?

Jeremy: Ja, das hat mich sehr geprägt. Das war ja die Zeit zwischen elf und 15 Jahren. Die Erwartungshaltung von Außenstehenden war dann oft, dass ich genauso cool wie im Film bin und viele haben dann auf mich den perfekten Freund projiziert, obwohl ich das vielleicht ja gar nicht bin. Ich habe sogar Briefe bekommen, die an Fred aus Wilde Hühner adressiert waren, die haben sich quasi in die Figur Fred verliebt. Die Wilden Hühner, die drei Kinofilme, die wir in drei Sommern gedreht haben, waren sozusagen meine erste Schule. Hier habe ich entschieden, dass ich diesen Beruf ein Leben lang ausüben möchte. Vincent Redetzki und ich sind seitdem beste Freunde und haben in Berlin sogar zusammengewohnt. Jetzt ist er in München am Theater und ich in Berlin. Martin Kurz sehe ich auch noch ab und zu, Lucie und Zsa Zsa habe ich auch vor kurzem getroffen. Wir wollten eh alle mal ein großes Reunion Treffen machen. Ich erinnere mich wirklich gerne an die Zeit zurück, das war einfach perfekt, man muss sich diese Dreharbeiten wie eine Klassenfahrt vorstellen.

Gibt es denn Parallelen zwischen dir und Fred im echten Leben?

Jeremy: Ich denke, man füllt eine Rolle immer mit seiner eigenen Identität aus, ich habe lange nicht mehr über Fred nachgedacht, damals war ich noch so jung. Die eigene Identität, Reife und der Humor etwa. Man füllt eine Rolle immer mit der eigenen Person und der eigenen Biografie aus. Ich habe „Fred“ damals die Reife und die Emotionalität verliehen, die ich in dem Alter besaß. Und so ist es auch mit Paul in dem Film „Cleo“, das ist quasi der ältere Jeremy. Und Fred war der jüngere

In einem Interview hast du mal gesagt, du würdest gerne mal einen Drogenabhängigen spielen, der vor dem Abgrund steht und alles verloren hat. Ist das immer noch so?

Jeremy: Das habe ich mal mit 16 in einem Interview zu den Wilden Hühnern gesagt ja. Ich glaube ich wurde damals auf gewissen Rollen festgelegt, der schöne, charmante Junge von nebenan und wollte einfach mal was anderes, existentielleres spielen. Aber durch das Theater habe ich nun ja die Möglichkeit dazu, viele Rollen zu spielen.

Wer sind deine schauspielerischen Vorbilder?

Jeremy: River Phoenix in „Stand by me“ hat mich als Kind sehr berührt und seine Performance ist vielleicht auch ein Grund, weshalb ich Schauspieler geworden bin. Sonst gibt es jetzt nicht diese klassischen Vorbilder, eher Schauspieler, die ich schätze, gerne beobachte und von denen ich mich immer wieder inspirieren lasse. Sandra Hüller, Edward Norton oder Adam Driver gehören dazu.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft, sowohl beruflich als auch privat?

Jeremy: Privat möchte ich versuchen, im Moment zu sein und aufmerksam sein, für das, was um mich herum passiert, und um mehr Ruhe zu finden, die kleinen Wunder des Alltags, wie wir das auch in unserem Film „Cleo“ thematisieren. Beruflich wünsche ich mir immer neue, interessante Begegnungen mit Kollegen, die mich inspirieren und natürlich auch so viele neue fordernde Rollen.

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Quelle: Johannes Louis

Mogli im Interview: When was the last time you cried and why?

Nach ihrer großen Reise mit einem umgebauten Schulbus von Alaska bis nach Mexiko hatte die Sängerin Mogli ihren großen Durchbruch. Im Interview verrät sie uns unter anderem, wie sie zur Musik gekommen ist und wie sie es geschafft hat, sich aus einer schwierigen Phase in ihrem Leben heraus zu kämpfen.

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Zeitjung: Mogli – woher kommt der Name?

Mogli: Ich heiße eigentlich seit der Kindheit schon so, meine Mama hat mir den Namen gegeben. Grund Nummer eins: Ich bin gerne in Unterhose rumgerannt und ich bin gerne auf Bäumen rumgeklettert. Und Grund Nummer zwei: Als ich elf war, hab ich mir Dreadlocks gemacht und dann hat es sich so richtig eingebürgert erst. Und dann hat es irgendwann meinen normalen Namen ersetzt.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Texte?

Mogli: Puh, das ist eine schwierige Frage, weil es immer ein bisschen anders ist. Ich hab mein letztes Album auf einer Reise geschrieben, die ich gemacht habe von Alaska nach Mexiko, da hab ich mich einfach wirklich inspirieren lassen von dem, was um mich rum war. Wie ich aber meistens und eigentlich auch jetzt im Moment Musik mache, ist, dass ich ins Musikstudio gehe und mit der Musik anfange tatsächlich. Ich arbeite mit Produzenten zusammen und wir sind dann entweder schon in der Stimmung oder erst mal unterhalten wir uns und dann kristallisiert sich heraus, was mich gerade beschäftigt. Wir fangen wirklich völlig abstrakt mit einem Akkord an und einfach wirklich nur mit Musik und dann bringt mich das in eine Stimmung und dann ist es eigentlich fast alles improvisieren und dann komme ich von der Stimmung erst auf die Texte. Es ist nicht so, dass ich mir davor krass viele Gedanken mache, sondern es ist alles aus einem Guss, es kommt alles zusammen, Melodie und Text.

Du bist momentan auf großer Tour, zum ersten Mal sogar in den USA und Kanada. Worauf freust du dich am meisten?

Mogli: Am meisten Spaß macht es mir, die neuen Songs zu spielen, die noch gar niemand kennt, weil ich Songs spiele, die noch nicht mal fertig produziert sind, die sind noch nicht einmal aufgenommen im Studio, gerade erst geschrieben. Das macht mir am meisten Spaß. Und zu spüren, wie sie ankommen, und ob es den Leuten gefällt, obwohl ich auch neue Sachen mache.

Und wie sind die neuen Songs bisher angekommen?

Mogli: Voll gut, das macht echt Spaß. Ich gehe nach dem Konzert oft nochmal raus und spreche mit den Leuten und dann sagen voll oft die Leute, dass sie die neuen Songs voll schön finden – das gibt dann ein gutes Gefühl, weil man ja nicht weiß, ob die Leute mit einem mitgehen, wenn man sich verändert.

Inwiefern unterscheidet sich deine neue EP von den anderen?

Mogli: Sie ist viel elektronischer geworden, gleichzeitig intimer, weil ich sie in Berlin geschrieben habe und eben nicht auf der Reise und ich nicht versucht habe, mich inspirieren zu lassen von Sachen außen rum, sondern das raus zu lassen, was schon in mir drinnen war. Einfach ins Studio gehen und gucken, wie so ein Blick in sich selbst rein.

Findest Du, dass deine Musik und Texte ein Spiegel deiner eigenen Entwicklung sind?

Mogli: Auf jeden Fall, da bin ich mir super sicher. Die EP, die ich gerade rausgebracht habe, Patience, da würde ich auf jeden Fall sagen, dass das Thema von der EP Umbruch oder Veränderung ist, weil sich eben in meinem Leben extrem viel verändert hat.

Was hat sich denn verändert?

Mogli: Ich hab auf dem Land gelebt mit meinem damaligen Freund zusammen und zwei Hunden und wirklich in so einem 200 Seelen Dorf im Schwarzwald und habe mich dann getrennt und bin nach Berlin gezogen und war zum ersten Mal alleine und mich nur noch auf Musik konzentriert und zum ersten Mal Zeit gehabt, um herauszufinden, was ich gut finde und worauf ich Bock hab und hab mich dann voll in die Musik gestürzt und halt auch in Berlin gestürzt. Und ich glaub, das hört man, dass sich was verändert hat.

Du hast vor kurzem in einem Interview geäußert, selbst an einer Art Depression gelitten zu haben. Wie hast du dich aus dieser schwierigen Phase herausgekämpft und was gibst du Betroffenen mit auf den Weg?

Mogli: Ich spreche eigentlich bei mir selber meistens nicht von Depression, sondern ich hatte einfach eine ganz schön schwere Zeit und mir gings nicht so gut und das hat eigentlich auch etwas mit der EP zu tun, weil sie ja Patience heißt. Was mir eigentlich am meisten geholfen hat, ist, erstens mir selbst einzugestehen, dass es mir nicht gut geht und dass es auch völlig okay ist, dass es einem Mal nicht gut geht und man nicht immer happy sein muss – das zu verstehen. Dann Hilfe zu sagen und anderen Leuten zu sagen, „Ey Leute, ich kann nicht mehr“ und dass es auch wichtig ist, das zu tun, sich Leuten zu öffnen und zu sagen, wie es einem geht, wenn es einem nicht gut geht. Und Geduld mit mir zu haben – deswegen die Patience EP und darum geht auch der Song: Geduld zu haben, dass Heilen eine Weile dauert, dass es nicht so ist, wie Malen nach Zahlen, weil ich normalerweise so bin, okay ich habe ein Problem und dann will ich es lösen, dann ist es vorbei und dann kann ich weiter machen, und so schnell geht das halt manchmal nicht. Wenn es um den eigenen Kopf geht, dann braucht man manchmal einfach Zeit. Das heißt, ich würde glaube ich den Menschen mitgeben, Geduld mit sich zu haben, nicht so hart mit sich selbst zu sein und sich anderen Leuten zu öffnen. Das ist auch so mein Hauptthema in der Musik tatsächlich, dass ich mich verletzlich mache, weil nur wenn man sich verletzlich macht, und quasi zugibt, dass es einem mal nicht gut geht, löst man in den anderen Menschen Empathie aus, weil sie dich dann verstehen und mit dir mitfühlen und ich glaube, wir brauchen auf jeden Fall mehr Empathie in der Welt.

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Du ernährst dich teilweise vegan und hast sogar mal überlegt, ein Kochbuch zu schreiben. Welches sind deine fünf Lieblingsgerichte?

Mogli: Ich koche gerne Burritos, indisches Curry, ich kann eine sehr sehr gute vegane Lasagne, die ich mir selbst ausgedacht habe, Crêpes – erst salzig und dann süß zum Nachtisch, und Nudelsalat – mit Balsamico und Antipasti-Gemüse!

Du lebst seit einiger Zeit getrennt von deinem Exfreund Felix. Wie geht es dir seit der Trennung, da ihr ja sehr viel miteinander geteilt habt?

Mogli: Es war wie gesagt eine krasse Veränderung für mich, weil ich quasi aus dem einen Leben raus und eine 180 Grad Wende in das andere Leben rein gemacht habe. Zwischen uns ist alles gut. Das Krasse für mich war dieser Umbruch, von heute auf morgen. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung und mir geht es auch sehr gut, ich habe nur ein bisschen gebraucht, um mich an mein neues Leben zu gewöhnen. Das meine ich auch mit Geduld, dass man sich eben die Zeit nehmen soll, um anzukommen, wenn sich alles verändert. Und ich habe mich noch gewundert, warum es alles ein bisschen viel ist gerade, obwohl es ja klar ist, dass das alles ein bisschen viel ist.

Du setzt dich sehr für nachhaltige Mode ein. Was sind deine Lieblingslabels und was rätst du Studenten und Geringverdienern, die nicht viel Geld für Kleidung überhaben?

Mogli: Meine Lieblingslabels sind Closed, es gibt High Fashion Labels, die ich gerne mag wie Philomenazanetti – das ist allerdings sehr teuer, dann gibt es aber auch andere Labels wie Armed Angels, die sich eigentlich fast jeder leisten kann. Mein Tipp ist, erstens Second Hand Klamotten, weil Vintage die nachhaltigste Form von Shoppen ist, noch viel besser als neue Sachen fair zu kaufen. Ich glaube es geht vor allem darum, Bewusstsein zu schaffen und darum, selber zu checken, was man konsumiert und kauft und es geht nicht darum, immer das teuerste nachhaltigste Stück zu kaufen, sondern zum Beispiel allein schon nicht mehr bei Fast Fashion mitzumachen, einfach nicht jede Saison den ganzen Kleiderschrank wegzuschmeißen oder zu verkaufen und sich was neues zu kaufen, sondern sich Teile zu kaufen, bei denen man vorhat, sie lange zu behalten und vielleicht Sachen zu reparieren, die kaputt gehen, anstatt sich was Neues zu kaufen, ein bisschen mehr Geld zu investieren, für ein Teil, das dann dafür aber auch länger hält, anstatt sich zehn Sachen zu kaufen, die dann schnell kaputt gehen. Und sich bei Eco-Bloggern Inspiration zu holen, es gibt zum Beispiel Daria Daria, die hat so eine Linkliste online – ganz cool sortiert, nach Frauen, Männern, Kindern – dort kann man sich gut inspirieren lassen. Oder eben auch bei Instagram. Ich tagge zum Beispiel alle meine Sachen, die ich trage bei Instagram und wenn es einem gefällt, dann kann man das ja auch nachkaufen.

Wie implementierst du Nachhaltigkeit in deinem Alltag?

Mogli: Boah, das ist schwierig tatsächlich und es werden einem auch immer wieder Steine in den Weg gelegt, zum Beispiel habe ich einen Hund, und sie isst nicht gerne Trockenfutter – ich habe es ganz ganz lange probiert, ihr Trockenfutter zu geben, aber sie frisst es einfach nicht und ist dann viel zu dünn, deswegen muss ich ihr Nassfutter geben, das ist dann halt in Dosen. Ich kann ihr auch kein frisches Fleisch geben, da ich dafür zu viel unterwegs bin. Das ist immer schwer, deswegen muss man auch immer Abstriche machen, aber ich glaube, es ist wieder so eine Bewusstseinssache: Man muss in allen Lebenslagen darüber nachdenken. Etwa sich einen Coffee Cup zu holen, ich hab zum Beispiel immer meine Wasserflasche dabei und fülle sie auf, anstatt mir Plastikflaschen zu holen. Ich versuche es auch auf der Tour, so gut es geht, auf Nachhaltigkeit zu achten. Ich hab in meinem Rider (den das Venue im Backstage bekommt) ganz oben ganz groß stehen, dass wir kein Plastikgeschirr wollen zum Beispiel – und es klappt fast nie, wir haben immer wieder Plastikgeschirr da stehen, ich reg mich jeden Abend wieder auf.

Beschwerst du dich dann? Und wie sind dann die Reaktionen?

Mogli: Ja, ich beschwere mich dann extra in Person, da eine Email sowieso ignoriert wird, und erkläre, dass es ihnen vielleicht nicht so auffällt, aber mir extrem, wenn ich zwei Monate auf Tour bin und jeden Abend so viel Plastik wegschmeiße und dass ich mir wünschen würde, dass sie meine Wünsche respektieren. Dann sagen sie meistens Entschuldigung, machen wir beim nächsten Mal – da weiß ich dann natürlich nicht, ob es dann so passiert.

Du bist mit zwei Müttern aufgewachsen. Inwiefern hat dich das geprägt und was würdest du Gegnern gleichgeschlechtlicher Erziehung gerne sagen?

Mogli: Geprägt hat es mich zum einen darin, dass ich immer unterstützt wurde und dass meine beiden Vorbilder weiblich waren und ich also gesehen habe, dass eine Frau alles machen und schaffen kann, was ein Mann auch schafft und ich deswegen schon seit ich ganz klein bin wusste, dass ich alles erreichen kann, was ein Junge erreichen kann und ich glaube, dass es ganz ganz vielen Mädchen nicht so geht, dass sie einfach immer unterschätzt werden. Das hat mich geprägt. Was ich Gegnern gerne mitgeben würde, ist eine ganz einfache Überlegung:Ich habe zwei Frauen um mich gehabt, und es gab keine, wirklich keinerlei geschlechterspezifische Rollenverteilung – geht ja nicht. Was dann passiert ist, ist dass jede von den beiden einfach die Aufgaben übernommen hat, in denen sie besonders gut war. Das heißt, ich habe von beiden eigentlich nur das Beste mitbekommen. Wenn eine gut ist darin zu trösten und die andere gut ist darin mit mir Sport zu machen, dann ist vielleicht wieder die andere gut darin, mich ins Bett zu bringen und im Kochen, eine gut im Putzen, eine gut im Lampen anschrauben und im Fahrräder flicken, eine gut im auf Bäume klettern und es ist halt überhaupt nicht so aufgeteilt, wie man sich das vorstellt, sondern ganz bunt durchgemischt und ich habe quasi von beiden nur das Beste mitbekommen.

Female Empowerment ist momentan ein wichtiges Thema für dich. Auch wenn wir oft meinen, wir seien damit in Deutschland schon sehr weit – wonach fehlt es hier deiner Meinung nach noch?

Mogli: Schwierig. Darf ich die Frage ein bisschen umformulieren? Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass Leute anklagen und mit dem Finger darauf zeigen, wo noch Sachen schieflaufen, das ist aber nicht die Art, wie ich persönlich an die Dinge gehe, weil ich versuche quasi es positiv zu lösen, indem ich quasi zeige, dass ich selber ‚empowered‘ bin und den Leuten Mut mache, sich selber zu empowern. Das ist quasi mein Weg da ran zu gehen. Es gibt noch genug Sachen, die noch schief laufen, und es ist auch wichtig, dass darauf gezeigt wird, aber das ist nicht mein persönlicher Weg. Ich versuche eben zum Beispiel indem ich darüber spreche, dass ich Depressionen hatte und alleine war und indem ich Hilfe gesagt habe und darüber gesprochen habe und Musik gemacht habe, mir da raus geholfen habe, zeige ich ja, dass es möglich ist und versuche eben genau, indem ich mich verletzlich mache, anderen Frauen Mut zu machen, sich erstens auch verletzlich zu machen und daran zu wachsen, weil eigentlich, wenn man mutig ist, und sich seinen Ängsten stellt, wird man immer dafür belohnt. So ist es nie umsonst, wenn man mutig ist. Man bereut es danach eigentlich nie. Das heißt ich versuche eigentlich hauptsächlich Frauen und den Mädels Mut zu machen, sie selbst zu sein und okay damit zu sein, wenn sie nicht perfekt sind, aber gleichzeitig aucch stolz darauf zu sein.

Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Mogli: Ich hab schon immer Musik gemacht! (lacht) Ich habe tatsächlich als Baby schon bevor ich gesprochen habe, Laute von mir gegeben und mitgesummt, wenn meine Mama Musik angemacht hat. Und ich habe auch seitdem eigentlich nie aufgehört eigentlich den ganzen Tag zu singen und das ist auch so ein Launen-Indikator, wenn ich mal ein oder zwei Tage nicht singe, dann heißt das meistens, dass ich krank werde, das irgendwas nicht stimmt.

Und woher hast du diese sanfte, klare, hohe Stimme?

Mogli: Ich glaube, dass es weil ich schon immer singe, einfach super natürlich ist, ich sag auch immer, das ist meine Form von sprechen, es fällt mir voll oft leichter, zu singen als zu sprechen. Auf der Bühne zum Beispiel: Ich liebe es, auf der Bühne zu sein und immer wenn der Song vorbei ist und ich etwas sagen muss, werde ich schüchtern.

Bist du dann trotzdem noch aufgeregt und nervös, wenn du auf der Bühne stehst?

Mogli: Nein, eigentlich nicht, ich freue ich immer voll, nur schüchtern in den Ansagen.

Hast du irgendein Ritual vor deinen Konzerten?

Mogli: Vor dem Konzert habe ich eigentlich keins, aber (das habe ich noch nie jemandem erzählt!) beim ersten Song habe ich komplett die Augen zu und guck mir nicht an, wie der Raum aussieht, weil es ja immer unterschiedlich ist, wie viele Leute da sind, der Raum sieht immer anders aus und es ist immer unterschiedlich gruselig , manchmal sind die Fans ganz nah und gucken dich an und manchmal sieht man gar niemanden. Also ich singe wirklich den ganzen ersten Song mit Augen zu, um einfach bei mir zu bleiben, in meiner Seifenblase, also ich singe den Song schon für die anderen, aber auch für mich, danach traue ich mich dann die Augen aufzumachen, jetzt bin ich da.

Wie stehst du zu Cannabis?

Mogli: Also, ich bin auf jeden Fall dafür, dass es legalisiert wird, weil es Langzeitstudien gibt über mehr als 80 Jahre, wo Menschen tatsächlich Gras geraucht haben ohne Tabak und keine Schäden festzustellen waren in der Lunge. Ich glaube, es ist wichtig, dass es legalisiert wird, man muss eben mehr darüber sprechen, weil es für Jugendliche trotzdem gefährlich ist, weil die sich ihr Gehirn noch beschädigen können, genauso wie mit Alkohol auch. Es sollte den Menschen einfach klar sein. Wenn wir das so tabuisieren, dann checken die Leute das einfach nicht, was es mit dir macht. Ich könnte ohne auf jeden Fall nicht leben. Für mich ist es einfach voll was Schönes, das ist meine Pause am Tag, das ist auch tatsächlich für meine Depression eine extreme Hilfe gewesen, das ist sehr personenabhängig, es gibt auch Leute, die das dann noch mehr runterzieht, da muss man auf jeden Fall aufpassen, deswegen spreche ich auch darüber offen auf Instagram, weil ich eben will, dass offen darüber gesprochen wird. Sobald es tabuisiert wird und irgendwie heimlich gemacht wird, weiß niemand genau, worum es geht und dann kann es theoretisch auch gefährlich sein, ist aber bei sehr wenigen Menschen der Fall. Was es mir persönlich bringt ist, ich bin immer am Arbeiten, bin immer unterwegs, mein Gehirn macht immer ‚ratatatata‘ , läuft super schnell, , das ist quasi meine persönliche Art, mir eine Pause zu schaffen, weil man dann voll in dem Moment ist und alles andere erst mal vergisst, für sich ist, quasi eine Form von Selfcare, meine Abends-Meditation/metime, egal was vorher passiert ist und was danach passiert, da ist man einfach so bei sich und kann einfach ein bisschen die Zeit anhalten und ein bisschen Pause machen.

Vielen Dank für das Interview!

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„Utopia hat etwas Besonderes – es war sehr cool hier!“

DJ Sam Feldt im Exklusiv-Interview über Utopia Island und seine Musik

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DJ Sam Feldt hat bei den Gästen zur Preparty von Utopia Island ordentlich für Stimmung gesorgt. © Laura Schindler

Auf der Preparty von Utopia Island hat der international gefeierte, niederländische DJ Sam Feldt (24) den Besuchern ordentlich eingeheizt. Ich habe ihn für die Moosburger Zeitung nach seinem Auftritt getroffen und mit ihm über seine Musik gesprochen.

Wie war es für dich, auf Utopia Island aufzutreten? Wie hast du das Festival an sich wahrgenommen?

Sam Feldt: Es war mein erstes Mal hier, deshalb wusste ich gar nicht, was mich erwarten würde. Es war schön, dass ich auf der Preparty auflegen durfte, da die Leute zu diesem Zeitpunkt noch voller Energie sind und toll auf dich eingehen. Es war wirklich sehr cool hier, es hat mir gut gefallen!

Und ist dir irgendetwas Besonderes hier aufgefallen, das Utopia Island von anderen Festivals unterscheidet, nachdem du ja immerhin bereits fast auf allen großen Electro-Festivals der Welt aufgelegt hast?

Sam Feldt: Ja, ich durfte wirklich schon auf vielen Festivals spielen, wie beispielsweise Tomorrowland, Coachella, UMF oder Ushuaia. Ich finde, dass das Publikum, besonders hier in Deutschland, einfach einzigartig ist. Und das macht den Unterschied! Du kannst das größte Festival, die schönste Bühne, die meisten Zuhörer haben – aber wenn die Leute nicht abgehen, ist das überhaupt nichts wert. Und hier war es eben sehr einfach, es war nur ein Zelt, aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, und das war, weil die Leute so gut mitgegangen sind.

Und was speziell macht dann den Unterschied: Sind es die Deutschen im Allgemeinen, war es das Festival, die Location oder einfach das Gesamtpaket?

Sam Feldt: Na ja, in Deutschland hast du generell fantastische Zuhörer. Aber hier war ich wirklich überrascht, denn als ich angefangen hatte, mein Set zu spielen, war es noch sehr ruhig. Aber dann, nach etwa 20 Minuten, hat sich das Zelt schnell gefüllt. Normalerweise dauert es eine Weile, bis man in der Stimmung ist, Party zu machen. Aber hier sind die Leute wirklich von der einen auf die andere Minute dabei gewesen. Und ich denke, das ist schon etwas Besonderes an Utopia Island.

Wie wurdest du auf das Utopia Island Festival aufmerksam?

Sam Feldt: Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie davon gehört, da ich in Amsterdam in den Niederlanden lebe und wir haben viele eigene Festivals dort. Mein Booking Team hat alles organisiert, aber natürlich habe ich mich davor über Utopia Island informiert und mir ein paar alte Videos angesehen und dann war ich echt aufgeregt, hier zu performen!

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Sam Feldt hat allein auf Spotify über sechs Millionen monatliche Hörer. © Sam Feldt

Warst Du schon immer ein Fan von elektronischer Musik?

Sam Feldt: Ich war schon immer ein Fan von vielen Genres. Ich hab Metallica und die Foo Fighters gehört, aber auch John Mayer oder Jack Johnson, Rock, Pop, Folk – alles Mögliche. Das ist auch der Grund, warum ich versuche, so viele melodische Aspekte in meine Songs zu packen wie möglich. Mit dieser Musik bin ich aufgewachsen.

Wann hast du dich dazu entschieden, DJ zu werden und warum?

Sam Feldt: Ich erinnere mich noch genau an ein Festival vor langer Zeit, als ich Justice zum ersten Mal live gesehen habe. Und ich dachte mir: Wow, das ist echt cool, dass du das alles mit Computern und elektronischer Musik machen kannst. Das war der Moment, als ich mich dazu entschieden habe, DJ zu werden. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich bereits angefangen, ein wenig meine eigenen Songs zu produzieren. Vor etwa acht Jahren habe ich beschlossen, dass ich es wirklich versuchen werde und ich habe mir die ganze Ausrüstung zugelegt, versucht einen Vertrag zu bekommen und dann hat es immerhin noch fünf Jahre gedauert, bis ich einen hatte!

Wie ist es für dich, wenn du an diesen Anfang zurückdenkst und deinen Erfolg heute siehst und einen Vergleich ziehst?

Sam Feldt: Das ist wirklich unglaublich! Es gab viele Momente, in denen ich mir gesagt habe, dass ich aufgeben werde, mir einen normalen Job suchen werde. Jeder um mich rum hat angefangen, einen richtigen Beruf zu lernen, das war viel Druck. Aber ich bin wirklich froh, dass ich meinen Traum nicht aufgegeben habe, jetzt im Nachhinein ist alles gut geworden.

Hat der Erfolg etwas in deinem Leben verändert?

Sam Feldt: Alles! Davor war ich in der Schule, verbrachte meine ganze Freizeit hinter dem Computer, um Musik zu machen. Und nun verbringe ich die meiste Zeit auf der Straße, spiele Shows, ich bin kaum zu Hause und überall auf der Welt unterwegs. Das alles hat mein Leben in vielen Dingen verändert, aber die meisten davon sind gut. Wenn ich auf die Bühne gehe, denke ich mir: Das ist es wert!

Bist du noch nervös, wenn du auf Festivals auftrittst?

Sam Feldt: Es gibt ein paar Festivals, bei denen ich wirklich noch aufgeregt bin, beispielsweise das Ultra Music Festival, weil dort Millionen Menschen den Livestream ansehen und wenn du einen Fehler machst, es alle mitbekommen! Aber auf normalen Festivals habe ich das eigentlich nicht mehr.

Wie erklärst du dir den Hype um elektronische Musik in den letzten fünf bis zehn Jahren?

Sam Feldt: Wenn du heutzutage das Radio anmachst, kannst du einen Dance-Song nicht mehr wirklich von einem Pop-Song unterscheiden. Es ist irgendwie eins geworden. Im Gegensatz zu früher ist heute EDM Pop und Pop ist EDM. Leute wie Robin Schulz werden überall im Radio gespielt. Das ist, denke ich, einer der Faktoren: Es ist mittlerweile ziemlich Mainstream geworden. Davor war Dance-Musik nur etwas für den Club und Popmusik nur etwas fürs Radio, jetzt ist es vermischt.

Wie ist es für dich mit so bekannten DJs wie etwa Akon oder Inna zusammenzuarbeiten?

Sam Feldt: Das ist eine sehr große Ehre! Seit ich ein Kind bin, höre ich die beiden beispielsweise, es ist toll, nun mit ihnen arbeiten zu dürfen. Vor ein paar Jahren noch hätte ich mir das nie erträumt!

Hast du irgendwelche Vorbilder?

Sam Feldt: Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird und eine schwierige Frage! Ich habe viele Vorbilder in vielen Lebensbereichen, wie Musik, Sport, im Leben allgemein. Aber ich kann nicht sagen, dieser eine ist mein Vorbild! In der Musik inspirieren mich viele Live-Bands wie zum Beispiel die Beatles. Aber es ist schwierig, einen herauszupicken.

Und in deiner Familie?

Sam Feldt: Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Mein Vater hat schon immer Gitarre gespielt, hat viele Songs geschrieben und spielt immer noch in einigen Bands, die Musik war also schon immer ein wichtiger Teil in meinem Leben. Meine Mutter begleitet mich auch immer auf sehr viele Festivals. Von ihnen habe ich sehr viel Inspiration bekommen, jedoch sehe ich sie nicht als Vorbilder, weil das bedeuten würde, dass ich genau so werde wie sie und in ihre Fußstapfen trete. Ich denke jedoch, dass man im Leben seinen eigenen Weg finden und gehen soll.

Bald kommt deine neue Single mit Akon und im Herbst ein neues Album raus. Auf was dürfen wir gespannt sein?

Sam Feldt: Genau, am 17. August erscheint die neue Single mit Akon. Der Song beinhaltet eine tolle Kombination von unseren beiden Styles, es war etwas komplett Neues für mich, da ich noch nie zuvor mit einem Rapper zusammen gearbeitet habe. Es ist eine Art Reggae-Hip-Hop-House-Song. Ende Oktober kommt das neue Album, in dem viel neue Sam Feldt-Musik steckt, um die 24 Songs, mit vielen neuen Experimenten, neuen Künstlern, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. In dem Album wird man die Vielfalt zu spüren bekommen, für die Sam Feldt steht!

 

Vielen Dank für das Gespräch! 

sdr
Foto im Backstage-Bereich nach dem Interview musste sein! © Laura Schindler

„Eine utopische Welt“

Ein harter Kern aus freiwilligen Helfern macht das Utopia Island Festival zu dem, was es ist

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Dass sich Utopia Island durch sein einzigartiges Flair von anderen Festivals in Bayern und Deutschland abhebt, liegt vor allem an den freiwilligen und kreativen Helfern, die hinter dem Namen „Utopia“ stehen. Durch die ausgefallene, selbst gemachte Dekoration verleihen sie dem Festival den Stempel „Selfmade“ und machen es zu einem sympathischen Ort, an dem man verweilen möchte.
„Was machen wir mit der Seaside?“, fragt Lena in die Runde. Ein genauer Plan steht noch nicht fest. Ein paar Leute vom Team machen gerade Mittag, es gibt Schnitzelsemmeln und Spezi. Luft holen, durchatmen, ein bisschen im Schatten abkühlen. Dann geht es wieder weiter, draußen in der sonnigen Hitze. Es ist Montag. Am Donnerstag beginnt das Festival, dann muss alles stehen. Hektik, Stress? Keine Spur. Im Backstagezelt, in dem Gerüste, Kabel und Kisten noch verstreut herumliegen, herrscht eine lockere Atmosphäre.
„Tobi hatte eine gute Idee für die Seaside, wir könnten einen Steg am Wasser bauen“, sagt einer. „Du weißt aber schon, dass wir am Donnerstag aufmachen, oder?“, antwortet Lena – halb ernst gemeint, halb lächelnd. Ideen werden gesammelt und ausgetauscht, es wird diskutiert – was könnte gut aussehen? Eins ist klar: Es muss einzigartig, besonders sein. Es muss zu „Utopia“ passen.

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Am Wochenende geht das Elektrofestival in die vierte Runde. Lastwagen, Bagger und viele Helfer lassen seit vergangener Woche die Welt von Utopia Island entstehen. Schritt für Schritt verwandelt sich der Aquapark so vom normalen Badeweiher zu einer Trauminsel mit vier verschiedenen Musikbühnen, an denen am Wochenende über 10 000 Menschen feiern werden. Tanzen zum Beat von Paul Kalkbrenner, Mitsingen bei Liedern von „Deichkind“ und Lena. Oder einfach nur die Seele am Weiher baumeln lassen und eine gute Zeit mit Freunden verbringen. Bis dahin aber gibt es fürs Aufbauteam, insbesondere für das Dekoteam, noch einiges zu tun. Denn Utopia wäre nicht Utopia ohne diese gewissen Details. Die Details, die das Flair von Utopia Island ausmachen. Das Flair, das Jahr für Jahr immer mehr Musikbegeisterte an den See lockt.
Das Brainstorming geht weiter. Die Jungs vom Handwerkerteam fragen Lena, wie sie ihre Wolken aufhängen möchte. Geplant sind blau und pink besprühte Styroporwolken, zusammen mit alten Schallplatten an Girlanden. Chris, einer der Jungs, zeichnet etwas mit Bleistift auf den Biertisch: „So in etwa, überkreuzt, könntest du sie doch aufhängen“, schlägt er vor. „Ham mia eigentlich koa Papier?“, witzelt Lena von der anderen Seite. So geht es immer hin und her, wie im Ping Pong. Auf einmal kommt Vroni, auch eine Dekodame, mit lauter runden Holzplatten an. „Bitte schmeißt die nicht weg! Irgendwas will ich daraus noch machen.“ An Ideen mangelt es ja nicht.

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„Wir arbeiten uns immer von außen nach innen“, erklärt Basti, Kopf des Dekoteams. Sobald die groben Umrisse wie das große Zirkuszelt, der Campingplatz, die Bodenplatten und Bühnen stehen, können sich die Dekofeen an die Details machen. Das Motto „Viele Hände, schnelles Ende“ gehört für Chris dabei dazu: „Der Arbeitstag für uns hat eigentlich 24 Stunden.“ Vor allem kurz vor Festivalbeginn legen viele Helfer die ein oder andere Nachtschicht ein.
Kurzes Kopfschütteln, und trotzdem lockeres Lachen dann, als Lena erfährt, dass ihre DJ-Schilder abgesägt wurden. Auf Holzbrettern hatte sie im Vorhinein aufwendig die Namen der Künstler mit deren Auftrittszeiten aufgemalt, welche dann vor den einzelnen Bühnen platziert werden. Nun hat einer „aus Versehen“ die Uhrzeiten abmontiert. Lena lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. „Sowas passiert doch jedes Mal – dann müssen wir eben improvisieren“, scherzt sie.
Hinter dem Namen „Utopia Island“ steht ein harter Kern von rund 30 freiwilligen Helfern. Die meisten kommen aus dem Raum Freising und gehen eigentlich einem anderen Beruf nach. Extra für die Vorbereitungen zum Festival nehmen sie sich ein oder zwei Wochen Urlaub. Um die Deko kümmern sich etwa zehn Leute. Übers Jahr verteilt macht jeder immer „ein bisschen was“, man sammelt Ideen, probiert etwas Neues aus. Etwa zehn Tage vorm Festival geht es in die heiße Phase, da packt dann jeder mit an. „Bei der Gestaltung wird uns freie Hand gelassen. Wenn wir uns etwas ausdenken, muss nur überprüft werden, ob Budget und Sicherheit passen“, erzählt Lena. Wichtig ist dabei immer, dass die Idee kreativ und ausgefallen ist. Denn genau das macht das besondere Flair von Utopia aus. „Wir bauen nicht einfach nur LED-Wände auf, wie es bei anderen Festivals üblich ist“, so Lena. „Bei uns werden die Sachen mit Liebe selbst gemacht, da steckt Herz drin!“ Sinnbildlich für das Flair und die Liebe zum Detail stehen so die meist aus Holz selbst gebauten Mülleimer, Schilder, Liegen – oder ganz neu: die Riesenschaukel. „Es ist schön, so etwas auf die Füße zu stellen und zu sehen, wie die Utopiawelt von Tag zu Tag langsam entsteht. Ich glaube, das ist der Grund, warum die Helfer hier so begeistert sind und freiwillig so viel leisten“, sagt Lena.

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„Schon beim Einchecken auf der Insel werden die Gäste auf Utopia Island mit der liebevollen und familiär gestalteten Dekoration willkommen geheißen, was sofort für eine friedvolle und harmonische Stimmung auf dem Festival sorgt und die Besucher für drei Tage in eine ,Glocke der Unbeschwertheit‘ tauchen lässt“, sagen die Veranstalter Lorenz Schmid und Tom Sellmeir. Genau das sei auch der Grund, warum es während des Festivals noch nie zu größeren Problemen gekommen sei, meint Sellmeir. „Es wurde nie etwas geklaut oder beschädigt, das hat uns wirklich erstaunt. Die Gäste respektieren sich gegenseitig und gehen friedlich miteinander um.“ Bei Bereichen wie der beliebten Sitzecke mit einem Holzklavier, auf dem eine Gitarre festgeschraubt ist, habe man beispielsweise erwartet, dass solche Gegenstände sofort weg seien. „Die Gitarre lag am Ende des Festivals aber immer noch genau so da wie am Anfang“, erzählt Sellmeir.

Nun geht es wieder raus und ran an die Arbeit. Lena beginnt ihre Styroporwolken mit Farbe zu besprühen, Vroni und Amelie suchen die Wegweis-Schilder zusammen. Dann geht es ab zum Montieren. Durch das Gelände führt ein kurviger Kiesweg mit großen, hohen Holzpfosten und pinken Utopia-Wimpeln an Seilen befestigt. Links und rechts befinden sich die Musikbühnen: ganz vorne links direkt am See die Seaside-Stage, in der Mitte das große Aura-Zirkuszelt, rechts hinten die Mainstage-Bühne und der Terra-Dome. Diese werden mit den vier Elementzeichen Wasser (Tropfen), Luft (Wolke), Feuer (Flamme) und Erde (Berge) ausgeschildert.

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Immer wieder kommen auch Schaulustige trotz Absperrung durchs Wasser ans Festivalgelände und wollen sehen, was denn da gewerkelt wird. Beliebt ist dabei freilich die große neue Holzschaukel – und die wird gleich mal ausprobiert. Trotzdem müssen die Helfer die Badegäste immer aufs Neue vom Platz scheuchen. Schließlich sollen die neuen „Utopia-Accessoires“ ja eine Überraschung für den Festivalstart sein.


Beim Festival selbst haben die Helfer auch keine Ruhe und sind ständig auf Achse: „Kaputtes muss repariert werden, irgendwo wird man immer gebraucht“, sagt Lena. Als Helfer erlebt man das Festival eben auf eine ganz andere Art und Weise. „Im Backstagebereich herrscht immer eine gute, lockere Stimmung zwischen Helfern und Künstlern“, sagt die 25-Jährige. „Wir haben zum Beispiel jedes Mal Tischtennisplatten aufgestellt, das finden die meisten total klasse.“ Vom Backstagebereich haben auch die Mädels aus der Küche, die das Essen für Helferteam und Künstler zubereiten, einige Anekdoten auf Lager: „Der KWABS letztes Jahr war total der Süße, nett und unkompliziert“ oder „Vor zwei Jahren ist Eva Padberg in die Küche gekommen, obwohl an der Tür ganz klar steht ,Zutritt verboten‘. Kathrin hat dann sofort laut ,RAUS‘ geschrien, ohne zu wissen, wer das eben war.“

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Seinen Ursprung findet Utopia Island im Vorgänger-Festival „Havana Nights“, das bis 2011 jährlich am Sportplatz in Haag stattfand. Schon damals war es unter dem Motto „Feel the Difference“ das beliebteste Festival im Landkreis und erreichte von Jahr zu Jahr größeren Zuspruch. So konnte man zu dieser Zeit bereits mit DJ-Headlinern wie Tom Craft, Fritz Kalkbrenner oder Coco Fay aufwarten. Irgendwann hatte man in Haag dann jedoch ein Platzproblem, das Festival wuchs, die Kapazitäten der Gemeinde Haag waren allerdings ausgereizt. Zudem konnte man das Festival in der Größenordnung nicht mehr als Verein durch den VfR Haag ausführen. Aus diesen Umständen heraus wurde schließlich die Klangfeld GmbH gegründet und Havana Nights 2011 ein letztes Mal in Haag abgehalten.
Lang wurde nach einer neuen Festival-Location gesucht, bis man mit dem Aquapark in Moosburg als idealem Austragungsort fündig wurde. 2013 wagte das alte Orgateam von Havana Nights (jetzt Klangfeld) dann den Neuanfang mit der Erstauflage von Utopia Island. „Wir fanden, dass der alte Name ,Havana Nights‘ austauschbar ist, und haben lange nach einem neuen gegrübelt“, erzählt Tom Sellmeir. „Irgendwann ist dann die Idee der utopischen Insel von der Geschichte nach Thomas Morus ins Rollen gekommen.“ In dieser strandet ein Seemann auf einer Insel, auf der es keinen Streit, keine Gewalt und keinen Krieg – also totalen Frieden – gibt. Als der Seemann zurückkehrt und von der Insel erzählt, halten ihn die Leute für verrückt und erklären solch eine Insel für „utopisch“.
Auf dem Festival „Utopia Island“ soll diese Utopie zur Realität werden, die Veranstalter sind dem Motto „We Are One“ treu geblieben. Friedlich und harmonisch soll es auch dieses Jahr zugehen, wenn wieder Gäste aus Frankreich, Italien, Holland, Irland, England, Österreich, Ungarn und natürlich Deutschland an den See reisen und eintauchen in die utopische Welt voller Glück, Tanz und Musik.

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„Ich wünsche mir ein Happy End für die Welt“

Die 20-jährige Zahra Lalzad aus Afghanistan hat nach nur vier Jahren in Deutschland ihr Fachabitur bestanden

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Zahras Familie ist im Dezember 2011 nach Moosburg gekommen. In ihrem Heimatland Afghanistan wurde die Familie von der eigenen Verwandtschaft und den Taliban bedroht. Weil sie für ihre Töchter Zahra (20) und Nezhada (15) ein selbstbestimmtes und freies Leben wollten, entschlossen sich die Eltern alles zurückzulassen und die gefährliche Flucht nach Europa auf sich zu nehmen. Mittlerweile sind die Mutter und beide Töchter in Deutschland anerkannte Asylbewerber, der Vater geduldet, und leben in einer Wohnung in Moosburg. Nezhada besucht die achte Klasse des Gymnasiums in Moosburg, Zahra hat vor kurzem ihr Fachabitur an der FOS in Freising bestanden und möchte nun noch in die 13. Klasse gehen und ihr allgemeines Abitur machen. Im Interview spricht die 20-jährige Abiturientin über ihr Leben in Deutschland, die Schule sowie ihre Ziele und Wünsche für ein besseres Zusammenleben mit den Flüchtlingen.
Wie war das Ankommen in Deutschland und der Anfang in der Schule für dich?
Zahra Lalzad: Als ich 2011 nach Deutschland kam, konnte ich kein Wort Deutsch. Das war am Anfang sehr schwer für mich, denn wenn man in einem fremden Land ist, ohne die Sprache zu können, kann man ganz alltägliche Sachen wie in einen Laden gehen und Milch, Wasser oder Brot kaufen, nicht machen. Man kann keine Freunde suchen, dafür braucht man auch die Sprache. Ich bin dann durch Herrn Kastorff an die Realschule in Moosburg gekommen. Dort wurde mir gesagt, dass ich nicht am Unterricht teilnehmen kann, weil ich die Sprache nicht beherrsche. Dann habe ich mit ihnen auf Englisch geredet und gefragt, ob sie mir etwas Zeit geben können, um die Sprache zu lernen. Sie gaben mir sechs Monate und sagten mir, falls ich das Gespräch, das ich soeben mit ihnen auf Englisch führe, dann auf Deutsch führen kann, werden sie mich aufnehmen.
Wie ging es dann weiter?
Zahra: Ich habe privaten Deutschunterricht in Mauern genommen, da bin ich vier Mal die Woche immer mit dem Fahrrad hingefahren. Zuhause habe ich jeden Tag fünf Stunden Deutsch gelernt und wurde dann nach sechs Monaten im Juli als Gastschülerin in die 8. Klasse der Realschule aufgenommen. Auch in der 9. Klasse war ich noch als Gastschülerin eingeschrieben, in der 10. Klasse wurde ich dann als normale Schülerin eingestuft, da ich im Jahreszeugnis alle Noten-Kriterien dafür erfüllt hatte.
Wie ging es dir mit dem Lernen der deutschen Sprache?
Zahra: Es gab immer wieder Schwierigkeiten in der Schule, oft habe ich die Lehrer nicht verstanden und musste dann zu Hause alle Wörter, die ich aufgeschrieben hatte, noch mal im Wörterbuch nachschlagen. Wir hatten damals auch keinen Internetzugang oder Computer zuhause. Ich habe immer versucht ruhig zu bleiben, auch wenn es stressig wurde. Meine Eltern haben mich immer aufgemuntert und gesagt: „Das geht schon Zahra, es wird nicht immer so bleiben.“ Das hat mich motiviert weiter zu machen. Dann habe ich die 10. Klasse geschafft. Ich hatte damals private Nachhilfe in Deutsch und Mathe. Im Abschlusszeugnis hatte ich eine Vier in Deutsch und konnte auf die FOS gehen. Jetzt habe ich die 12. Klasse gemacht, ohne Nachhilfe. Ich verstehe noch immer ein paar Sachen nicht, mittlerweile kann ich mir die Dinge aber selbst aus dem Kontext erschließen.
Wie wurdest du von deinen Mitschülern aufgenommen?
Zahra: Wir haben uns erst lange gegenseitig angeschaut. Ich hatte keine großen Erwartungen, dass sie nett zu mir sind oder so, aber ich habe sehr schnell Freunde gefunden. Das war kein Problem, weil ich immer auf jeden zugegangen bin und ein bisschen auf Deutsch oder Englisch oder mit den Händen versucht habe, zu reden. Es gab aber auch Situationen, in denen ich gemerkt habe, dass ich noch nicht wirklich hier her gehöre. Es war aber nie jemand gemein zu mir.
Und wie haben sich deine Lehrer dir gegenüber verhalten?
Zahra: Meine Lehrer waren immer sehr hilfsbereit, haben mir oft Tipps gegeben, was ich machen soll und wie ich etwas lernen soll. Sie hatten zwar noch keine Erfahrung mit Leuten, die kein Deutsch können, aber sie konnten mir trotzdem helfen. Manchmal hat man aber auch gemerkt, dass nicht alle Lehrer diese Einstellung hatten, eine Lehrerin hat mal zu mir gesagt: „Du kannst das nicht, du musst auf die Hauptschule, das schaffst du sowieso nicht.“ Dann habe ich sie nur angelächelt und gesagt: „Doch, ich weiß, dass ich das kann.“ Eigentlich wollte ich aufs Gymnasium gehen, aber ich wusste, dass das zu schwer für mich sein würde. Bei der Realschule war ich mir jedoch sicher, dass ich es schaffe.
Zum Deutschlernen noch mal: nach viereinhalb Jahren, wie geht es dir nun im Vergleich zum Anfang?
Zahra: Ich merke, dass ich mich jedes Jahr verbessere. Im ersten Jahr konnte ich nur „Wie gehts“ oder „Hallo“ sagen. Anfangs habe ich nur etwa zehn Prozent verstanden, wenn ich mich mit Leuten unterhalten habe – nun verstehe ich alles! Auch früher in der Schule habe ich wesentlich mehr lernen müssen als heute. Schwierig ist es aber immer noch mit Fachwörtern, wenn ich zum Beispiel in der Zeitung lese oder im BGB, was ich für das Fach Rechtslehre in der 12. Klasse gebraucht habe. Ich verstehe die einzelnen Wörter, aber nicht den Zusammenhang. Im Alltag merke ich, dass ich mich verbessert habe und das freut mich. Deshalb versuche ich auch, mich viel mit anderen zu unterhalten und viele deutsche Bücher zu lesen.
Wie war das in deiner Familie? Hast du mit deiner Schwester Nezhada auch deutsch gesprochen?
Zahra: Ganz am Anfang haben wir nur persisch geredet, aber mittlerweile reden Nezhada und ich zu Hause nur noch deutsch. Das ist mir gar nicht bewusst gewesen und ich war ganz überrascht, als es mir aufgefallen ist! Aber das ist einfach so passiert, mit meinen Eltern reden wir trotzdem nur persisch, außer wir beschließen, ab jetzt reden wir für ein, zwei Stunden nur Deutsch!
Wie war die Umstellung von der Schule in Afghanistan auf die in Deutschland?
Zahra: In Afghanistan war ich auf einer Privatschule mit Unterricht auf Englisch. Das war schon leichter für mich. Und vieles war anders, anfangs wusste ich zum Beispiel nicht, was eine Ex ist, sowas gibts bei uns nicht. Ganz am Anfang in der 9. Klasse kam die Lehrerin mit Spickbremsen in die Klasse, und alle hatten plötzlich totale Panik. Ich stand nur da und wusste nicht, was vor sich geht.
Wie liefen die Prüfungen in deiner afghanischen Schule ab?
Zahra: Bei uns waren die immer angekündigt. Hier muss man eine bestimmte Anzahl an Punkten haben, um eine bestimmte Note zu bekommen. Bei uns konnte man in die nächste Klasse vorrücken, wenn man in allen Fächern eine gewisse Note hat. In Afghanistan gibt es kein Gymnasium oder eine Hauptschule, da gibt es nur eine Schule für alle. Hier braucht man immer für alles einen gewissen Schnitt. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh, dass ich das alles geschafft habe. Wenn man etwas erreichen will, muss man sich – egal wo man herkommt – hinhocken und lernen, das kommt nicht von alleine.
Wie findest du unser Schulsystem in Bayern?
Zahra: Ich finde das Schulsystem in Bayern nicht in Ordnung. Wenn man in der Grundschule ist, muss man sich so anstrengen, dass man ins Gymnasium kommt oder in die Realschule. Das ist schon ein bisschen diskriminierend, wenn man zum Beispiel hört „ach, die geht nur auf die Hauptschule“. Ich finde es traurig, dass man zwischen Kindern so einen Unterschied macht. Wenn man Jura oder Medizin studieren möchte, braucht man einen NC von mindestens 1,2 – aber wer kann garantieren, dass jene, die in der Schule so gut waren, dann auch später im Berufsleben in diesem Bereich gut sind oder dafür geeignet sind. Später gibts nichts mehr, was man einfach auswendig lernen muss, dann zählt, was von dir selbst kommt.
Um sich mal ein wenig vom Schulischen zu entfernen: Wie hast du dich in Deutschland am Anfang zurechtgefunden?
Zahra: Ganz am Anfang habe ich immer auf die Beine von anderen Mädchen geguckt. Alle hatten kurze Röcke und Shorts an, das kannte ich nur aus Filmen. Hier sieht man ja oft fast den Po – das war für mich sehr seltsam. Aber ich habe mich daran gewöhnt und trage mittlerweile auch kürzere Shorts und Röcke. Außerdem ist es hier sehr grün und die Leute tragen kein Kopftuch. Bei uns musste man als erwachsene Frau eins tragen. Es ist hier sehr sauber und die Kultur und alle Läden sind sehr verschieden.
Was schätzt du an Deutschland?
Zahra: Die Meinungs- und Religionsfreiheit. Das finde ich sehr gut und es ist der Hauptgrund, warum ich hierbleiben möchte. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, ein Kopftuch zu tragen und das zu tun, was mein Mann mir sagt. Ich könnte zum Beispiel auch nicht einfach nach Afghanistan gehen und sagen, dass ich eine andere Religion habe. Diese Freiheit gibt es dort nicht. Wenn ich dort für Frauenrechte und andere Dinge einstehe, auf die Straße gehe oder ähnliches – dann ist mein Leben bedroht. Das würde keine Woche dauern. Hier ist das deutlich besser: Man hat Freiheiten, vor allem als Frau. Viel mehr als in Afghanistan. In Deutschland sagen auch viele Menschen, dass es noch keine Gleichheit zwischen Mann und Frau gibt, aber im Vergleich zu Afghanistan sind die Leute hier viel viel weiter. Das schätze ich sehr und deswegen fühle ich mich hier wohl.
Vermisst du bestimmte Dinge aus Afghanistan?
Zahra: Ja, natürlich. Es gibt nun mal Traditionen, mit denen ich aufgewachsen bin. Meine Eltern hatten als Akademiker in Afghanistan sehr viel Respekt und ein hohes Ansehen. Das ist hier natürlich nicht so. Uns kennt keiner und niemand hat ein besonderes Interesse an uns. Wir haben alles verlassen und fangen hier im Prinzip noch mal von vorne an. Aber man gewöhnt sich daran. Hier haben wir Freiheit und ich kann mein Leben so führen, wie ich möchte. Daher hat dieser Respekt nicht mehr einen sehr hohen Stellenwert für mich. Natürlich vermisse ich meine Freunde und auch unser großes Haus mit Garten. Ansonsten sind es eher Kleinigkeiten. Bestimmte Rituale oder Ähnliches. Man kann nicht genau beschreiben, was man vermisst, aber ich habe meine Heimat verlassen und das ist manchmal schon ein komisches Gefühl.
Weißt du was mit eurem Haus passiert ist?
Zahra: Ich glaube, es steht noch da, aber wir befürchten, dass die Dinge, die wir zurückgelassen haben, vielleicht geklaut worden sind. In Afghanistan kann jeder mit ein paar Waffen und ein wenig Macht in ein fremdes Haus spazieren und schon gehört es ihm.
Was sagen die Leute zuhause über die Lage in Afghanistan?
Zahra: Es ist wohl noch viel schlimmer geworden. Man kriegt es ja auch hier in den Nachrichten mit. Jeden Tag sterben Leute und es ist sehr gefährlich. Ich habe mitbekommen, dass deutsche Politiker sagen, es sei so gut wie sicher mittlerweile. Das ärgert mich sehr. Heute (das Interview wurde am 6. Juli, am Zuckerfest zum Ende des Ramadans geführt, Anm. d. Red.) ist in Afghanistan ein großer Feiertag, aber es gibt sehr viele Menschen, die nicht wie gewohnt feiern können, weil jeder Angst hat. Sie bleiben zuhause. Und ich weiß sehr gut, wie es ist, jeden Tag Angst zu haben. Dein Zuhause wird zum Gefängnis, das Leben macht keinen Spaß. Politiker, die fordern, afghanische Flüchtlinge wieder zurückzuschicken, sollten selbst mal eine Weile dort leben. Es ist ein sehr gefährliches Land.
Was hattest du für Pläne, als du nach Deutschland gekommen bist? Und haben sie sich geändert?
Zahra: Ja, ein wenig. Am Anfang war es mein Ziel, Jura zu studieren. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Die deutschen Rechtsbücher wie das BGB sind für mich immer noch sehr schwer zu verstehen. Eine Alternative ist Lehramt mit dem Hauptfach Englisch und als Nebenfach Psychologie oder Geschichte. Diese Fächer interessieren mich auch sehr. In Afghanistan wollte ich immer Jura studieren und Rechtsanwältin werde. Ich wollte für Menschen- und Frauenrechte kämpfen, aber ich denke, dass ich den Menschen in Deutschland auch ohne Jurastudium helfen kann. Ich arbeite jetzt schon manchmal als Dolmetscher bei anderen Asylbewerbern und es gibt zum Beispiel auch einen großen Bedarf an Lehrern für Ausländer. Das wäre natürlich gut für mich, weil ich selber in der Lage war und dies gut nachvollziehen kann.
Was sind deine Wünsche und Träume für die Zukunft?
Zahra: Zuallererst hoffe ich, dass es die Welt irgendwann schafft, in Frieden zu leben. Dass es überall Meinungsfreiheit, Nächstenliebe und Toleranz gibt. Dass alle Menschen zusammen für eine bessere Zukunft arbeiten. Dass die Menschen einander helfen. Für meine Familie wünsche ich mir, dass sich meine Eltern in Deutschland wohlfühlen und zufrieden sind. Sie haben alles verloren und zurückgelassen, in erster Linie für meine Schwester und mich. Für mein Land und alle anderen Länder dieser Welt, in denen Krieg ist, wünsche ich mir, dass sobald wie möglich die Kämpfe aufhören. Dass jeder Arbeit und genug zu essen hat. Ich wünsche mir einfach, dass eines Tages alle zufrieden sind und dass es so etwas wie ein Happy End gibt. Ich fände es toll, wenn jeder seine Religion im Herzen trägt, für sich selbst, ohne diese jemandem anderen aufzuzwingen.
Das sind aber viele Wünsche…
Zahra: Ich weiß, aber als das neulich in Orlando passiert ist, war ich wahnsinnig traurig. Ich habe mich wirklich hingesetzt und sehr lange überlegt: „Was kann man tun, damit so etwas aufhört?“ Ich glaube ein wichtiger Schritt wäre, einfach alle Waffen dieser Erde zu vernichten. Je mehr Waffen es gibt, desto mehr Kriege gibt es auch. Russland, Amerika und auch Deutschland verkaufen Waffen in kriegsgeschädigte Länder wie meines. Und dann erwarten manche Politiker, dass die Menschen zurückgehen und für ihr Land kämpfen. Ich möchte keinen Krieg und ich möchte nicht kämpfen. Niemand, der flieht, möchte das. Das müssen die Menschen verstehen.
Was könnte man deiner Meinung in Deutschland verbessern? Gerade für die Flüchtlinge?
Zahra: Da muss ich überlegen. Erstmal finde ich es toll, wie viel die Leute in Deutschland ehrenamtlich machen. Ich bin erstaunt, wie viele Menschen helfen, ohne etwas dafür zu erwarten. Ich wünsche mir ein wenig Geduld. Ich kenne es von mir. Man braucht eine lange Zeit, um sich hier zurechtzufinden. Man braucht Zeit, um hier glücklich zu sein und sich wohlzufühlen. Das passiert nicht von heute auf morgen. Das ist ein langer Prozess. Die meisten Flüchtlinge kommen aus einem komplett anderen Kulturkreis, das allermeiste was sie hier sehen ist vollkommen neu für sie. Leute, die hier wohnen, können das manchmal nicht verstehen, weil sie eine solche Erfahrung noch nie gemacht haben. Deswegen fände ich es toll, wenn man ihnen ein wenig Zeit gäbe. Integration ist ein Prozess, der lange dauern kann. Natürlich passieren hier auch Dinge, die überhaupt nicht in Ordnung sind wie zum Beispiel die Silvesternacht in Köln. Keine Religion und Kultur erlaubt so etwas, man kann das nicht verallgemeinern. Es sollen nicht alle in einen Topf geworfen werden. Jede Person hat einen einzigartigen Charakter und so sollte man auch jeden einzelnen bewerten. Kriminelle und Idioten gibt es überall, auch unter den Flüchtlingen. Es gibt Analphabeten und Ärzte. Es gibt so viele Unterschiede und so viele verschiedene Herkunftsländer. Jeder Mensch ist anders.
Interview: Laura Schindler

Der Künstler hinter der Kulisse

Zur Abwechslung mal was anderes: Ein Interview vom Februar 2014 für das Münchner Jugendmagazin m80

Ausbildung zum Veranstaltungstechniker

Patrick in seinem Element: Als Veranstaltungstechniker hat der die Verantwortung für Licht, Ton und Bühnenbild.
Patrick in seinem Element: Als Veranstaltungstechniker hat der die Verantwortung über Licht, Ton und Bühnenbild.

Name: Patrick Diederich
Alter: 20
Wohnort: Rosenheim
Ausbildung: Veranstaltungstechniker
Schulabschluss: erfolgreicher Haupt/Realschulabschluss, Abitur empfehlenswert

Patrick ist auf dem Weg zu seinem Ziel – seinem Traum, Veranstaltungstechniker zu werden. Er macht eine Ausbildung in der Schauburg München. Doch was macht ein Veranstaltungstechniker eigentlich? „Mithilfe des Lichts inszeniert der Techniker die perfekte Atmosphäre auf der Bühne, sodass bei den Zuschauern Emotionen geweckt werden“, erklärt Patrick. So wie es der Name des Berufs schon sagt: Ein Veranstaltungstechniker kümmert sich um die Technik (Beschallung, Videotechnik und Beleuchtung) bei allen Arten von Events, Konzerten oder Theatervorstellungen. Dabei ist viel Konzentration, Präzision und Teamfähigkeit gefragt. m80 hat sich mit dem 20-Jährigen Patrick Diederich zum Interview getroffen.

m80: Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Patrick: „Es gibt keinen regulären Tagesablauf, am Morgen planen wir den Tag und dann geht es an die Arbeit, jeder erledigt die Tätigkeiten, die er am besten kann: Wir müssen umbauen, aufbauen und abbauen. Das heißt beispielsweise die Bühnenbilder herzurichten oder die Technik vorzubereiten. Es gibt eine Menge zu tun, bevor das Scheinwerferlicht angeht!“

m80: Welche Voraussetzungen muss man für die Ausbildung mitbringen?

Patrick: „Generell benötigt man für die Ausbildung einen Realschulabschluss, jedoch ist es von Vorteil, wenn man Abitur hat. Viele Bereiche aus der Mathematik und Physik sind dann nämlich verständlicher. Natürlich ist es auch wichtig, dass man ein technisches Verständnis hat und mit Werkzeug umgehen kann. Doch das wird einem spätestens in der Ausbildung beigebracht. Das Wichtigste ist es, die Leidenschaft für den Beruf mitzubringen, er soll ja schließlich Spaß machen. Dennoch sollte man sich darauf einstellen, dass man arbeiten muss, wenn andere feiern, da man meistens abends arbeitet und oft erst spät in der Nacht heimkommt. Flexibilität ist auch ein zentraler Faktor des Berufs, den man beachten muss.“

m80: Wieso hast du dich für die Ausbildung entschieden?

Patrick: „Ich finde es toll zu sehen, wie sich das Publikum amüsiert, sobald alles in Position ist und die Show beginnt. Dann vergesse ich, dass ich arbeite und habe Spaß. Mich fasziniert es, die Leute glücklich zu machen und aus ihrem Alltag heraus zu holen. Wenn sich die Zuschauer freuen, freue ich mich.“

m80: Was sagen Deine Eltern und Freunde zu Deiner Berufswahl?

Patrick: „Meine Eltern waren zunächst nicht begeistert, da sie sich gewünscht hätten, dass ich nach meinem Abi studiere. Aber nach 13 Jahren Schule hatte ich einfach keine Lust mehr zu pauken und wollte lieber meinen Traumberuf ausüben. Meine Freunde waren allerdings sehr begeistert von meiner Entscheidung, vor allem, weil ich dann kostenlose Tickets für sie besorgen oder sie auch mal in den Backstage-Bereich führen kann.

m80: Wo siehst du dich in Zukunft in diesem Beruf?

Patrick: „Nach der Ausbildung möchte ich zuerst meinen Meister machen und anschließend selbstständig arbeiten. Da gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit Bands auf ihren Konzerttouren zu begleiten – das würde mir sehr gefallen. Eine weitere Option wäre, dass ich Bühneningenieur studiere, aber das muss ich mir noch überlegen.“

Das Interview führten Aleksandra Pajonk und Laura Schindler

Beruf: Fachkraft für Veranstaltungstechnik

Voraussetzungen: Mindestens Hauptschulabschluss

Ausbildungsdauer: Drei Jahre

Vergütung (nach TVÖD, brutto):

1. Lehrjahr: 793,- €

2. Lehrjahr: 843,- €

3. Lehrjahr: 889,- €

http://www.m80-magazin.de/JobundKarriere/21185