
„Ich wollte das schon lange machen“, sagt Hans Stoiber. Der 61-Jährige will zu Fuß von Deutschland aus bis nach Kanada wandern. Mit großem Reiserucksack samt Schlafsack, Zelt und Isomatte klopft er in unserer Redaktion und erzählt in gebrochenem Deutsch von seinem Vorhaben. Zwei Jahre hat der Sohn eines deutschen Vaters, der nach dem Krieg nach Chile ausgewandert ist, dafür eingeplant. „Ich will nicht länger warten und es noch mehr aufschieben.“
Als Stoiber seinen bayerischen Nachnamen buchstabiert, muss er lachen. „Ich werde oft gefragt, ob ich mit dem früheren Ministerpräsidenten verwandt bin – bisher weiß ich nichts davon.“ Denn der lebensfrohe Mann scheint nirgendwo auf der Welt so richtig zuhause zu sein. In Santiago de Chile geboren, in South Carolina studiert, in München gearbeitet. Er hat viel gesehen und erlebt, und doch ist es ihm noch nicht genug. „Ich liebe es, unterwegs zu sein“, sagt Stoiber.
Was genau ihn nun zur Marschroute nach Amerika bewegt hat, erklärt er so: „Es fasziniert mich, wie vor etwa 11 000 Jahren die ersten Menschen über die Beringia-Landbrücke nach Amerika gekommen sind. Ich frage mich, wie es für sie gewesen sein muss, eine solch gefährliche Reise auf sich zu nehmen.“
Stoiber möchte genau dies nachempfinden, den Weg „nachlaufen“. Ursprünglich hat er seine Reise deshalb auch von Moskau nach New York geplant. Moskau wäre nun aber ein zu weiter Schlenker in den Norden gewesen. Ob er es bis nach New York schafft, weiß der 61-Jährige nicht. Bis nach Kanada, auf den amerikanischen Kontinent, aber will er es auf jeden Fall schaffen. „Ich bin mir sicher, dass es auch heute noch sehr anstrengend ist, Amerika von Russland aus zu durchqueren, selbst wenn ich mich darauf vorbereiten kann.“
Gestartet ist der Weltenbummler am 4. November in Köln. Innerhalb von 20 Tagen hat er dann München erreicht. Diese erste Reise habe mehr der Orientierung gedient, erzählt Stoiber: „Ich wollte einen Eindruck davon gewinnen, was ich alles für so eine Reise zu Fuß benötige, und ob ich so etwas überhaupt überlebe.“ Ein kleiner Vorgeschmack sozusagen auf das Leben zu Fuß, ohne andere Transportmittel zu benutzen.
In München angekommen, hat Hans Stoiber dann erst einmal gearbeitet, um Geld zu verdienen und sich eine bessere Ausrüstung zu kaufen. Auch bei der Initiative Krebskranke Kinder München e. V. hat er sich engagiert und geholfen, Pakete für Weihnachten einzupacken. Das Schicksal der Kinder dort hat ihn bewegt. Durch seine Reise will er auf derartige gemeinnützige Organisationen aufmerksam machen und ihnen auf diese Weise helfen. Pro Land, das er bereist, will Stoiber sich eine Initiative heraussuchen und unterstützen.
Von München aus sollte es dann eigentlich über Innsbruck nach Wien gehen, berichtet Stoiber: „Ich suche mir meine Routen immer in Google Maps raus, diese wurde mir als die kürzeste angezeigt.“ Doch ein Bekannter aus Moosburg habe ihm empfohlen, an der Isar bis Passau entlangzuwandern und von dort aus nach Wien zu gehen. „Ich war froh um diesen Ratschlag, an der Isar ist es so viel schöner – auch wenn die aktuelle Jahreszeit sehr grau und kalt ist.“
Mit der Kälte hat Stoiber kein Problem: Jede Nacht verbringt er in seinem Zelt, auch im Winter. Pro Tag geht er rund 30 Kilometer, manchmal mehr, manchmal weniger. Wien will er in zwölf bis 14 Tagen erreichen. Von dort aus soll es nach Budapest, Bukarest und Bulgarien, in die Türkei, den Iran und über Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan nach China und in die Mongolei und schließlich von Sibirien und Ost-Russland aus nach Alaska und Kanada gehen.
Gepäck will Stoiber so wenig wie möglich mitschleppen, 13 bis 15 Kilogramm lassen sich mit dem Nötigsten jedoch nicht vermeiden. Die zweijährige Reise durch Europa und Asien will er nicht nur für sich, sondern auch für andere Menschen machen. „Ich treffe oft Leute, die mir sagen, dass sie gerne mitlaufen würden oder auch so eine Reise machen wollen, aber es hindert sie die Arbeit oder Familie daran.“ Diese Menschen will Stoiber trotzdem auf seine Art und Weise auf die Reise mitnehmen. Dafür hat er sich eine eigene Internetseite (www.moscowtonewyork.xyz) mit einem Blog angelegt, auf der er mit Bildern und Texten von seinem Abenteuer berichten wird. Auch auf Twitter (moscowtonewyork.xyz) und YouTube will er an seiner Reise interessierte Menschen auf dem Laufenden halten. Hans Stoiber ist gespannt auf die Abenteuer, die er erleben, und die Menschen, die er treffen wird. Und er ist sich sicher: „Abschied von meinem Job muss ich so oder so irgendwann nehmen. Ob es nun ein paar Jahre früher oder später ist, wen interessiert das schon?“