Der Flughafen München will die Digitalisierung nutzen, um die Servicequalität zu steigern und neue Geschäftsmodelle zu erschließen

„Die Digitalisierung ist ein Schritt, den wir machen wollen, um unser Bestandsgeschäft abzusichern und neues Geschäft zu ermöglichen“, sagt Michael Zaddach, Leiter des Servicebereichs IT am Münchner Flughafen. Zusammen mit anderen Abteilungen hat er eine Digitalisierungsstrategie für den Flughafen erarbeitet, durch die man neue Geschäftsmodelle erschließen, das Kundenerlebnis verändern und Umsatzpotenziale ausschöpfen möchte. Unter anderem wurde dabei für die Kunden eine Reise-App konzipiert, die den Aufenthalt am Flughafen noch angenehmer machen soll.
Täglich passieren rund 110 000 Reisende den Flughafen München, mittlerweile sind es 41 Millionen pro Jahr. Als zweitgrößter Flughafen Deutschlands nach Frankfurt zählt er zu den größten Luftfahrt-Drehkreuzen Europas. Eine gute Organisation ist dabei gefragt. Diese steht und fällt mit der Digitalisierung: „Sämtliche Prozesse am Flughafen werden effektiv durch die IT unterstützt, seien es Softwareprogramme oder die Informationen zu startenden und landenden Flugzeugen“, erklärt Zaddach. „Für einen reibungslosen Ablauf am Flughafen sind wir auf die hundertprozentige Verfügbarkeit der IT angewiesen.“ Mittlerweile spielt jedoch nicht nur die interne, sondern auch die externe Digitalisierung eine wichtige Rolle für den Flughafen. Das bedeutet, dass die digitale Entwicklung nicht nur für die internen Arbeitsprozesse im Unternehmen genutzt wird, sondern auch, um den Endkunden „digital“ ansprechen zu können.
Entspannteres Reisen mit der App „Passngr“
Dies will man erreichen, indem man personalisierte, relevante Informationen, die man beispielsweise über das Flugticket oder den Parkschein erhält, nutzt, um den Aufenthalt des Kunden am Flughafen durch effizientere Prozesse noch entspannter zu machen. Mit der Reise-App „Passngr“, die übergreifend für mehrere Flughäfen konzipiert ist, werden Passagiere demnächst so alles Organisatorische – von der Planung über die Bezahlung bis hin zur Navigation im Flughafen – mobil erledigen können. Eine erste Version der App ist bereits verfügbar, es wird aber schon an weiteren Funktionen gearbeitet. Die App dient dem Kunden gleichsam als „Wegweiser“: Sie meldet Änderungen der Flugzeiten oder des Gates, gibt Infos zu Warteschlangen und zum Wetter am Reiseziel, zeigt Restaurants und Läden in der Nähe an. Der Reisende kann seine Flüge so bequem verwalten und ist immer auf dem neuesten Stand.
Michael Zaddach nennt dazu folgendes Beispiel: „Ein Geschäftsmann landet um 5.30 Uhr morgens am Flughafen München. Die App bietet ihm zum Beispiel an, eine Dusche zu buchen, um wieder fit fürs nächste Meeting am Vormittag zu sein.“ Die Reise-App passe sich so immer an die jeweilige Situation des Passagiers an. Dieses Konzept nennt sich „Seamless Travel“, was auf Deutsch nicht mehr als „nahtlos reisen“ bedeutet.

Ein weiteres Ziel, das man mit der Reise-App ins Auge fasse, sei das Pilotprojekt, den Kunden durch seine Flugnummer zu dem am günstigsten gelegenen Parkhaus zu navigieren, sodass er nur einen kurzen Fußweg zurücklegen müsse, sagt Zaddach. „Bisher kannten wir unseren Kunden, den Passagier, nicht wirklich“, erzählt der IT-Chef: „Man hat sein Ticket gebucht, hat am Flughafen geparkt und sich auf die Reise gemacht.“ Damals waren Vorgänge wie das Parken, der Check-in, die Sicherheitskontrolle oder das Einkaufen an sich einzelne, voneinander getrennte Stationen. Nun wurde all dies verknüpft, um die Reiseinfos und Daten für die Kunden und die digitalen Kanäle wie die „Passngr“-App integrativ nutzen zu können.
„Es war eine große Herausforderung für den IT-Bereich, all diese Infos zu verbinden“, erklärt Zaddach. Doch die Arbeit soll sich lohnen: Mit der Verknüpfung erhofft sich die FMG, bessere Informationen an die Kunden weitergeben und neue Geschäftsmodelle erschließen zu können. Die Kundenansprache über digitale Kanäle ist deshalb sehr wichtig: Durch auf den Passagier individuell zugeschnittene Informationen lassen sich Abfertigungsprozesse verbessern, die wiederum zu einem entspannteren Reisevorgang führen, was die Kaufbereitschaft der Kunden steigern und ein außergewöhnliches Erlebnis am Flughafen schaffen soll.
Digitalisierung als neues Geschäftsmodell
Dies könnte sich für den Flughafen auszahlen, da das Non-Aviation-Business (jeglicher Umsatz, der nicht durch das reine Fluggeschäft erwirtschaftet wird, wie zum Beispiel Parken, Gastronomie und Einzelhandel) mittlerweile 49 Prozent des Gesamtgeschäfts ausmacht; dieser Bereich bietet die größten Wachstumschancen in der Zukunft. Umsatzquelle ist hier der Passagier. Durch die Digitalisierungsstrategie will man so nicht nur die Qualität für Kunden steigern, sondern auch das Geschäft ankurbeln. Beide Komponenten sollen jedoch in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, andernfalls funktioniere das Konzept „Seamless Travel“ nicht, meint Zaddach. Aus diesem Grund wird auf der App auch nicht aktiv Werbung geschaltet, schließlich möchte man den Kunden nicht nerven und mit Spam belasten. Schlüssel zur Kommunikation mit dem mobilen Nutzer ist das unbegrenzte Free-WiFi-Angebot am Flughafen.
Nicht nur über die App, sondern auch über andere digitale Kanäle will der Flughafen seine Kunden erreichen. So werden Informationen zudem über Internetportale, per E-Mail oder SMS und auf Bildschirmen im Terminal weitergegeben. Auch bei Letzterem schwebt Zaddach bereits ein Geschäftsmodell vor: „Wenn Chinesen nach Deutschland reisen, steht häufig ganz oben auf ihrer Einkaufsliste ein Topf von WMF.“ Sollte also ein Flugzeug aus Peking landen, könnte man gleich mit den entsprechenden Angeboten auf den Monitoren in der Nähe des Ankunftsgates werben und die Kunden ins Geschäft locken.
Hohe Servicequalität durch „InfoGates“
Ein weiteres Instrument, das der Flughafen zur Kommunikation mit seinen Kunden nutzt, sind die „InfoGates“. Dies sind digitale Schalter, die an unterschiedlichen Plätzen in den Terminals stehen. Über einen Knopf kann man sich einen persönlichen Berater in seiner Muttersprache auf den Bildschirm zuschalten, der einem beispielsweise hilft, den Weg zu finden oder einen Lageplan mit der Wegbeschreibung ausdruckt. Zudem kann man sein Ticket scannen, um Infos zum Gate oder zu Shops zu erhalten.

Damit wurde ein innovatives System zur Kundeninformation und Wegeführung für den Flughafen entwickelt, welches sich bewährt hat und heute sogar als modulares Infosystem für viele Branchen zur Verfügung steht. Als Tochterfirma der FMG verkauft die InfoGate Information Systems GmbH mittlerweile sogar Geräte an andere Flughäfen sowie diverse Einkaufszentren in Deutschland und der Welt. Manfred Zötl, Geschäftsführer der Info Gate Information Systems GmbH, unterstreicht die Vorteile der InfoGates: „Das System ist bestens auf die Bedürfnisse und Anforderungen von morgen ausgerichtet. Neue Informationspunkte können ohne zusätzliches Personal geschaffen werden, wobei die Informationsdichte und Servicequalität erhöht werden.“
Für die Zukunft heißt es nun, all die Inhalte, die mittels der Digitalisierungsstrategie entwickelt wurden, zu pflegen und Services zu definieren. „Die Digitalisierung ist keine reine IT-Sache“, sagt Michael Zaddach. Auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Prozesspartnern am Flughafen wird sich verändern. Die Nutzung aller Passagierinformationen muss ermöglicht und organisiert werden. Zudem will man die Systeme und Apps ständig optimieren.
Für die FMG und die IT-Abteilung war der Schritt zur externen Digitalisierung „kein Riesen-Projekt, kein Big-Bang“, wie Zaddach es formuliert. Man habe sich mit kleinen Schritten vorangearbeitet und vieles ausprobiert. Für die Reise-App, die seit Juli in Betrieb ist, habe man deshalb auch noch nicht aktiv geworben, sondern teste die Akzeptanz zunächst in einem eingeschränkten Nutzerkreis. Das sei wichtig, sagt Zaddach, denn man könne die Passagierakzeptanz nicht immer vorhersehen und müsse Dinge ausprobieren. Die Digitalisierung sei nur ein kleiner, weiterer Teil, der zu dem großen Puzzle „Erlebniswelt Airport“ beitrage, meint Zaddach, denn „wir wollen immer einen Schritt voraus sein“.
