Bewerberlücke ist weiterhin groß

Trotz offiziellem Ausbildungsstart über 280 Lehrstellen im Landkreis noch unbesetzt

Die Betriebe im Landkreis Freising haben weiterhin große Mühe, genügend Azubis zu finden. Trotz des heutigen offiziellen Ausbildungsstarts sind noch 283 Lehrstellen frei. Damit bleibt die Bewerberlücke auch in diesem Jahr weiterhin sehr groß. Insgesamt wollen die Unternehmen im Landkreis in diesem Jahr 1094 Lehrlinge einstellen, somit sind vorerst etwa 25 Prozent aller Ausbildungsplätze unbesetzt.
Die Lage in der Region bleibt insgesamt weiterhin stabil. Jugendliche, die aktuell noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, haben also durchaus Chancen, ihre Lehrzeit im Herbst 2016 beginnen zu können. Seit Beginn des Berufsberatungsjahres am 1. Oktober 2015 meldeten sich aus dem Landkreis 1133 Bewerber für Ausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit in Freising: 1034 Jugendliche haben inzwischen eine berufliche Perspektive, 99 Bewerber waren im August noch auf der Suche nach dem passenden Ausbildungsplatz.
Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Situation im Landkreis etwas verbessert, so Agentur-Pressesprecherin Kathrin Stemberger: „Letztes Jahr waren es im August noch 115 Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz hatten.“ Diese Zahl sei bis Ende September, dem offiziellen Ende des Berufsberatungsjahres, jedoch auf 14 gesunken. „Auch nach Ausbildungsbeginn passiert hier noch viel, bis Weihnachten reduziert sich die Zahl um einiges.“ Um eine Lehrstelle nach dem 1. September zu beginnen, braucht es allerdings die Zustimmung der jeweiligen Kammer.
Die Gründe, warum viele Jugendliche vorm Ausbildungsstart noch immer ohne Lehrstelle dastehen, seien ganz unterschiedlich, so Stemberger: „Einige halten lange an ihrem Wunschberuf fest, ohne sich nach Alternativen umzusehen.“ Oft scheitere es hier an der Qualifikation oder einem großen Bewerberandrang auf eine geringe Zahl an Plätzen. „Manche sind schlichtweg zu spät dran mit der Bewerbung“, erklärt Stemberger. Ein bis eineinhalb Jahre vor der Ausbildung sollte man demnach anfangen, sich mit der Bewerbung zu befassen. Aber auch am Anschreiben hapere es oft, so dass die Bewerbung gleich aussortiert wird. Nicht immer stimmen zudem Interessen und Qualifikationen der Jugendlichen mit den Anforderungen der Betriebe überein. Stemberger empfiehlt unsicheren Kandidaten daher, einen Termin für die Berufsberatung bei der Arbeitsagentur zu vereinbaren: „Hier wird ganz genau geschaut, welcher Beruf zu einem passen könnte und auch nach einem Plan B gesucht.“
„Generell ist zu sagen, dass die Jugendlichen sich aufgrund der wirtschaftlich sehr starken Region in einer komfortablen Situation befinden. Sie können bei der Ausbildungsplatzsuche zwischen vielen Berufen und Betrieben wählen“, so Kathrin Stemberger. Im vergangenen Jahr haben so fast alle ausbildungsreifen Jugendlichen, die bei der Arbeitsagentur gemeldet waren und eine Ausbildungsstelle gesucht haben, eine gefunden, gleichzeitig blieben jedoch Lehrstellen unbesetzt. „Es wäre toll, wenn Angebot und Nachfrage, was die nachgefragten und angebotenen Berufe betrifft, exakt übereinstimmen würden, das ist aber eine Illusion.“
Andreas Scharf, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Erding-Freising, unterstreicht die Vorteile einer Ausbildung. „Eine Ausbildung bietet immer sehr gute Perspektiven. Egal ob Karriere oder Studium – mit einer erfolgreichen Lehre stehen alle Wege offen. Diese Botschaft müssen die Schulen noch besser den Schülern und ihren Eltern vermitteln.“
Wichtig ist in jedem Fall, dass sich die Schüler intensiv mit dem persönlichen Berufswunsch beschäftigen. Denn gibt es in der Ausbildung Probleme, nennen in einer IHK-Umfrage 72 Prozent der Betriebe die unklaren Berufsvorstellungen der Schulabgänger als größtes Hindernis. Die Unternehmen bieten deswegen mehr Praktikumsplätze an und verbessern ihr Personalmarketing. Ein weiterer Grund für den Bewerberengpass sind laut Scharf die stagnierenden Schulabgängerzahlen: Die Zahl der Absolventen der Mittelschulen ist in Oberbayern seit 2005 um 28 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Abiturienten um 56 Prozent. Insgesamt sind zurzeit 375 IHK-zugehörige Unternehmen im Landkreis in der Ausbildung aktiv und stehen für fast 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse.
Kreishandwerksmeister Martin Reiter ist mittlerweile sehr frustriert und verärgert über die Situation auf dem Ausbildungsmarkt: „Wir tun wirklich alles, um die Schüler zu informieren und mit Praktika an die Berufe heranzuführen. Wir organisieren ehrenamtlich viele Veranstaltungen in den Schulen und Klassen.“ Bei ihm sei die Geduld nun bald am Ende, irgendwann müssten die Jugendlichen auch einmal in die Gänge kommen. Das Problem sehe er vor allem bei Elternhaus und Schulen: „Viele Eltern wollen um jeden Preis, dass ihre Kinder studieren.“ Der Gedanke, nur mit einem Studium erfolgreich werden zu können, müsse verschwinden. Als Konsequenz aus der großen Bewerberlücke befürchte er, dass in Zukunft vermehrt Azubis aus dem EU-Ausland wie etwa Frankreich oder Slowenien vor der Jugendarbeitslosigkeit im eigenen Land fliehen und nach Deutschland kommen, um die freien Lehrstellen zu besetzen.
Auch von der Integration der Asylbewerber in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt habe er sich mehr erhofft: „Viele kommen schon nach dem ersten Tag vom Praktikum nicht mehr, ohne Bescheid zu geben.“ Hier müsse man mehr Druck machen, es fehle zudem an Willen und Motivation vonseiten der Flüchtlinge. Laut Stemberger finde die Vermittlung von Asylbewerbern durch die Arbeitsagentur bereits statt, jedoch dauere es auch, bis diese Integration ihre Früchte tragen könne, da die meisten Flüchtlinge nachgeschult werden und vor allem der deutschen Sprache mächtig sein müssten, bevor sie Fuß in der Arbeitswelt fassen können.